Pfleger auf vier Pfoten: Hündin arbeitet für Soziokulturellen Dienst

Mischlingshündin Sheila braucht keine Sekunde, um Kontakt zu knüpfen. Deshalb begleitet sie Tanja Schmitz (rechts) bei ihrer Arbeit beim Sozio-Kulturellen Dienst in der Seniorenresidenz Moseltal.
Mischlingshündin Sheila braucht keine Sekunde, um Kontakt zu knüpfen. Deshalb begleitet sie Tanja Schmitz (rechts) bei ihrer Arbeit beim Sozio-Kulturellen Dienst in der Seniorenresidenz Moseltal. Foto: Marta Fröhlich

Welch besondere Wirkung Hunde auf Menschen haben, zeigt Mischling Sheila. Die Hündin ist für den 
Sozial-Kulturellen Dienst der Seniorenresidenz Moseltal im Einsatz und baut mit tierischem Charme Brücken zwischen Bewohnern und Mitarbeitern.

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Ein Trippeln auf dem Gang kündigt Sheila an. Frau Müller blickt neugierig zur Tür. Die Mischlingshündin zieht draußen kräftig am Geschirr und wedelt mit dem Schwanz, als sie ihre Schnauze durch die angelehnte Tür in Frau Müllers Zimmer drückt. Frau Müller hat heute Geburtstag, und Sheila muss auch gratulieren. Tanja Schmitz, Sheilas Frauchen, hat alle Hände voll zu tun, um die Begrüßung der beiden nicht zu stürmisch ausfallen zu lassen.

Tanja Schmitz arbeitet seit fünf Jahren in der Seniorenresidenz Moseltal in Koblenz-Moselweiß. Sie ist Teil des Sozial-Kulturellen Dienstes (SKD), der die Alltagsbegleitung für die Senioren organisiert. Die 15 Mitarbeiter des SKD haben alle einen sozialpädagogischen Hintergrund und sorgen mit Aktionen für Abwechslung im Pflegealltag. Sie kümmern sich um die soziale Betreuung, organisieren Spielstunden und Feste, führen intensive Gespräche mit den Bewohnern. So auch Tanja Schmitz mit ihrer Hündin Sheila, die zwei- bis dreimal im Monat ihr Frauchen in den Dienst begleitet. Immer wenn Schmitz einen kurzen Dienst hat, meistens sind es drei Stunden, ist Sheila ihre Begleitung. Dann stromern die beiden durch die Einrichtung, gehen Stationen und Wohnbereiche ab, besuchen Spielgruppen und Teerunden.

Frau Müller bekommt heute reichlich Besuch. Blumensträuße stehen eng an eng auf ihrem Nachttisch, doch für Sheila ist immer Zeit. Frau Müller und Sheila kennen sich bereits mittlerweile ein Jahr, und ihre Vertrautheit ist deutlich spürbar. Die Hündin wetzt durch das Einbettzimmer der Rentnerin, erschnuppert freudig die fremden Düfte der Besucher. Währenddessen hat Tanja Schmitz Zeit, Frau Müller zu gratulieren und einen Plausch zu halten. Dann darf endlich auch Sheila ran. Sie drückt ihren Kopf eng an die alte Dame, lässt sich hinterm Ohr kraulen und leckt über Frau Müllers Hand. Der quirlige Hund wird in Gegenwart der Seniorin deutlich ruhiger und lässt sich gern auf Streicheleinheiten ein.

Manch ein Bewohner genießt Sheilas Nähe sogar im Bett.
Manch ein Bewohner genießt Sheilas Nähe sogar im Bett.
Foto: Marta Fröhlich

Erinnerungen werden wach

Dass ein Hund durch ihr Haus stromert, findet Einrichtungsleitung Viola Mathy richtig gut. „Die Idee ist aus Zufall entstanden. Wir hatten bereits früh schon Anfragen von Ehrenamtlichen, die mit ihren Hunden kommen wollten. Mario Blinn, Mitglied im Vorstand der Residenz, ist großer Hundefan und war von der Idee eines Hundebesuchsdienstes begeistert. Da rannte Tanja Schmitz bei uns offene Türen ein“, berichtet Mathy. „Viele neue Bewohner erzählen uns im Rahmen unserer Biografiearbeit, dass sie früher auch einen Hund hatten“, sagt Mathy. In der Biografiearbeit führen die Mitarbeiter des SKD intensive Gespräche mit den Heimbewohnern und erfahren so viel über deren Vorlieben und Abneigungen. Das ermöglicht einen ersten Eindruck und baut Berührungsängste ab. Doch kein Mensch bricht das Eis so gut wie Sheila. Die Hündin kennt keine Scheu, ist weder schüchtern noch voreingenommen. Sie geht offen auf jeden Bewohner zu. Das macht sie zur perfekten Brückenbauerin zwischen dem Bewohner und der Fachkraft. „Die Menschen werden offen, wenn ich mit Sheila reinkomme. Sie verändert die Laune im Raum“, erzählt Schmitz.

Besonders hilfreich ist der tierische Einsatz bei der Arbeit mit Demenzkranken. Da ihr Kurzzeitgedächtnis nicht mehr richtig funktioniert, fällt es vielen von ihnen schwer, sich auf die neue Wohnumgebung und die neuen Gesichter einzulassen. Manch einer reagiert verschlossen oder unfreundlich auf Tanja Schmitz. Doch Sheila schafft einen Anknüpfungspunkt. Denn viele der alten Menschen hatten in ihrer Kindheit einen Hund, und da das Langzeitgedächtnis bei Demenz noch gut funktioniert, können sie sich daran teils noch erinnern und öffnen sich. Hunde können die Situation mit ihrer uneingeschränkten Freundlichkeit auflockern und Barrieren abbauen. Doch nicht jeder ist von der Präsenz eines Hundes direkt begeistert, erzählt Schmitz: „Es gibt zwar auch hin und wieder Menschen, die keine Hunde mögen oder Angst davor haben. Darauf nehme ich natürlich Rücksicht. Aber manchmal schafft es Sheila sogar, jemandem vorsichtig nahe zu kommen, der zu Beginn Angst vor ihr hatte und sich dann deutlich entspannt. Das ist dann sehr schön.“

Zu manchem Bewohner knüpft Sheila ein ganz besonderes Band. So zum Beispiel zu einem Mann, der schwer an Krebs erkrankt war und gar nicht mehr reden wollte. Er zog sich in sein Zimmer zurück, wurde bettlägerig und verweigerte den Kontakt zu Menschen. Allein Sheila durfte ihn noch besuchen. Sie legte sich dann stets ruhig in sein Bett und verbrachte viel Zeit mit dem Schwerkranken. Bis er ging. Auch intensive emotionale Bindungen gehören zum Arbeitsalltag eines Besuchshundes.

Sheila ist ein bulgarischer Straßenhund gewesen, bevor sie vor knapp zwei Jahren als Junghund zu Tanja Schmitz kam. Diese entschied sich schnell, das Hundemädchen mit zur Arbeit zu nehmen. „Sie ist ein freundlicher, quirliger Hund und sehr menschenbezogen. Das sorgt hier immer für gute Laune“, erzählt sie.

Doch warum kommen gerade Hunde im Pflegebereich so gut an? „Der Hund ist am engsten mit dem Menschen sozialisiert. Er kann im Gegensatz zu anderen Tieren den Menschen als Rudelersatz annehmen“, erklärt Inge Wanken. Die Hundetrainerin aus Trier bildet Therapiebegleithunde aus und arbeitet selbst aktiv in der tiergestützten Pädagogik. „Hund und Mensch müssen aber eine stabile Beziehung zueinander haben“, betont sie. Mensch und Tier müssen im Team arbeiten. Der Mensch trägt dabei die große Verantwortung zu erkennen, wann der Hund genug hat. Laute Geräusche, Menschen, die sich anders bewegen, rufen oder den Hund einfach auch mal anfassen: Das alles stresst das Tier, es muss lernen, damit umzugehen.

Vertrauen ist das A und O

Deshalb müssen die Hunde, die solche Arbeitseinsätze absolvieren, mental sehr stark und gut sozialisiert sein. „Am besten lernt der Hund bereits in der prägeähnlichen Phase als Welpe das Altenheim in all seinen Facetten kennen“, erläutert die Tiertrainerin. Er muss auch im Wohnheim habituiert werden. Das bedeutet, dass er sich an den Umgang mit Menschen und an die Wohngegebenheiten gewöhnt hat.

Doch eines ist bei der Arbeit mit dem Hund besonders wichtig: Das Tier muss sich voll und ganz auf seinen Menschen verlassen können. „Das erfordert viel Erfahrung und ein gutes Händchen für das eigene Tier“, stellt Wanken fest. Deshalb hält die Hundetrainerin auch nichts von Hunden, die praktisch gemietet werden können: „Auch das gibt es. Da werden die Tiere bei ihren Besitzern abgeholt, die diese einfach verleihen, und in ein Seniorenheim gebracht. Die laufen darin dann frei rum und sind der Situation komplett ausgeliefert.“ Dass dabei der Bezugsmensch fehlt, der Hund keinen Führer hat, hält Wanken für problematisch. „Als Hundeführer ist man auch Rudelführer. Ich entscheide, wer wann wie meinen Hund anfasst. Und darauf verlässt er sich auch“, so Inge Wanken.

Das kann Tanja Schmitz bestätigen. Sheila ist nie allein in der Seniorenresidenz unterwegs. Immer hat Schmitz sie im Auge, beobachtet, ob der Hund Stress hat, hechelt oder sich zurückzieht. Denn der Rundgang durch die Einrichtung ist für Mensch und Tier auch anstrengend. Besonders die Besuche in den Gruppenräumen verlangen von Sheila eine Menge. Zwar liebt sie es, bei den Turn- und Spielstunden dabei zu sein. Dann fliegen große Luftballons durch den hellen Raum, die Sheila mit Begeisterung durch die Gegend jagt. Sie wetzt zwischen den Reihen der Teilnehmer hindurch, lässt sich hier kraulen und dort bespaßen. Doch nach 20 Minuten zwischen zwei Dutzend Menschen braucht die Mischlingshündin eine Pause. Im Aufenthaltsraum des Sozial-Kulturellen Dienstes hat Tanja Schmitz Sheila einen Platz eingerichtet. Dort kann die Hündin runterfahren und ein kleines Nickerchen halten, bevor die beiden in eine neue Runde starten.

Rechtliche Grundlagen

Schmitz legt großen Wert darauf, dass ihr Arbeitgeber sie in ihrem Wirken unterstützt. „Der Rückhalt der Kollegen ist absolut da, auch die Einrichtungsleitung findet für unsere Arbeit Anerkennung“, erzählt sie. Für die Arbeit mit einem Hund in der Seniorenresidenz formulierte Viola Mathy jedoch klare Voraussetzungen. Der Hund muss geimpft, sozialverträglich und hundehaftpflichtversichert sein. „Das ist für uns und für Frau Schmitz auch eine Absicherung. Es kann ja sein, dass mal jemand über den Hund stolpert. Dann muss auch rechtlich alles stimmen“, sagt die Residenzchefin. Auch Inge Wanken betont, dass sich die Einrichtung und der Hundebesitzer über die rechtlichen Konsequenzen Gedanken machen müssen. Bisher gibt es in Deutschland keine Regelung bezüglich eines Hundebesuchsdienstes. Der Hundeführer muss weder eine diesbezügliche Ausbildung haben, noch müssen spezielle Anforderungen erfüllt sein. Umso wichtiger sei, dass Interessierte sich gut schlau machen, was Recht und Hygiene im entsprechenden Heim betrifft, erklärt Wanken. „Bis jetzt haben wir nur gute Erfahrungen damit gemacht. Solange der Hund die Pflegenden nicht von der Arbeit ablenkt und die Besuche im Rahmen bleiben, ist Sheila ein gern gesehener Mitarbeiter hier“, bekräftigt Mathy.

Sheila ist mittlerweile nicht die einzige Fellnase in der Residenz. Bereits in vielen Pflegeheimen ist es üblich, dass die Bewohner ihre eigenen Tiere mitbringen. In Moselweiß muss vorab die Versorgung des Tieres geklärt sein. Dann steht felligen Mitbewohnern in den Pflegeheimen die Tür offen. Und Sheila bringt nicht mehr allein die Senioren zum Lachen.

Marta Fröhlich