Mit dem Handy im Ausland: Was sich ändert

Zehn Jahre lang hat die EU mit den Mobilfunkunternehmen gerungen. Von diesem Donnerstag an ist es endlich so weit: Die leidigen Roaminggebühren werden abgeschafft. Dann gilt in der Union das Motto: Telefonieren, SMS schreiben und mobiles Surfen zum gleichen Preis wie zu Hause. Doch es gibt noch kleine Fallstricke, auf die man vorbereitet sein sollte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Abschaffung der Roaming-Zuschläge.

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Anrufe, SMS, mobiles Internet – was kostet das künftig in der EU?

Der Verbraucher kann aufatmen: Die bisherigen Zuschläge, die die Provider für das Weiterleiten von Telefonaten, Kurznachrichten oder Daten durch ein Fremdnetz berechnet haben, fallen weg. Der Kunde bezahlt den gleichen Preis wie zu Hause.

Sind diese Kosten denn in meinem Tarifpaket daheim inbegriffen?

Ja, die im Ausland getätigten Anrufe, die versendeten SMS und die verbrauchten Daten werden mit dem heimatlichen Vertrag abgegolten. Wer also eine Flatrate für Telefonate und Daten hat, braucht keine Zusatzkosten mehr zu fürchten – egal ob er auf Mallorca Urlaub macht, in Frankreich studiert oder in einem grenznahen Bereich wohnt, wo die Netzverbindungen mal vom heimischen, mal vom Unternehmen im Nachbarland hergestellt werden.

Für welche Länder gilt das?

Die Vereinbarung gilt für alle 28 EU-Mitgliedstaaten ab dem 15. Juni. Island, Norwegen und Liechtenstein werden die Regelung in den Tagen danach ebenfalls übernehmen. Wichtig für Urlauber: Die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Türkei sind nicht dabei.

Roaming in Nicht-EU-Ländern bleibt also teuer?

Ja. Besondere Vorsicht geboten ist nicht nur in der Schweiz und der Türkei, sondern auch auf der Isle of Man, den britischen Kanalinseln und kleinen Ländern wie San Marino, Andorra oder Monaco. Für diese Länder und Gebiete gilt die EU-Verordnung nicht. Trotzdem ordnen manche Provider sie der EU-Länderliste zu, andere aber nicht. Vor allem Reisende in Grenzgebieten müssen aufpassen. Wer zum Beispiel von Deutschland nach Italien unterwegs ist und über den Gotthard- oder San-Bernardino-Pass fährt, sollte nach dem Passieren der Schweizer Grenze die Gebühren-Info-SMS des heimischen Netzbetreibers genau studieren, bevor er das Datenroaming aktiviert oder länger telefoniert, raten die Experten. Die Hinweis-Kurznachrichten der Provider treffen spätestens einige Minuten nach dem ersten Einbuchen des Telefons in ein ausländisches Netz ein – auch dann, wenn es sich um einen EU-Mitgliedsstaat handelt, der unter die EU-Roaming-Verordnung fällt. Außerhalb der EU gilt die Verordnung nicht. Im Zweifel sollte deswegen im Zielland die Datenverbindung und die Mailbox-Weiterleitung deaktiviert werden. Und man sollte das Handy auf manuelle Netzauswahl umstellen. Sonst kann es sein, dass sich das Telefon unbemerkt im Netz im Nachbarland anmeldet. Das kann teuer werden.

Bin ich weiter vor überhöhten Mobilfunkrechnungen geschützt?

Ja, wenn der Daten-Konsum die Grenze von 59,99 Euro überschreitet, muss der Provider den Kunden darauf hinweisen und fragen, ob er ein Überschreiten hinnehmen will. Verneint der Kunde, kann er nicht mehr surfen. Akzeptiert er, muss er allerdings mit höheren Gebühren rechnen.

Ich habe für mein Handy bereits einen EU-Zusatztarif gebucht. Läuft der automatisch aus?

Die Provider haben zugesagt, diese Spezialtarife und Zusatzpakete entweder automatisch auslaufen zu lassen oder aber den Kunden vorher zu fragen.

Kann ich mein deutsches Handy dauerhaft im EU-Ausland ohne Zusatzkosten betreiben?

Nein. Bisher gilt die Faustregel, dass der Verbraucher länger im Heimatnetz eingebucht sein muss als in einem ausländischen. Konkret dürfte das so aussehen, dass die Mobilfunkunternehmen nach einem nicht unterbrochenen, viermonatigen Aufenthalt in einem anderen Land den Verbraucher anrufen und befragen.

Ich reise wenig. Deshalb brauche ich gar keinen Europa-Tarif. Was kann ich dann tun?

Eine Reihe von Anbietern haben inzwischen reine Deutschland-Tarifmodelle im Angebot. Diese funktionieren ausschließlich in der Bundesrepublik und sind deshalb deutlich billiger.

Gelten die Regelungen auch bei Kunden mit Prepaid-Tarifvertrag?

Tatsächlich müssen nicht nur Kunden von Prepaid-SIM-Karten aufpassen, sondern auch alle, die ein Gebührenmodell mit fest vereinbarten Kontingenten haben. Denn wenn diese während eines Aufenthalte sin einem anderen EU-Land aufgebraucht sind, dürfen die Provider doch wieder einige Zuschläge verlangen. Diese betragen derzeit 3,2 Cent pro Minute für einen Anruf nach Hause (alle Angaben plus Mehrwertsteuer), 1 Cent für eine SMS ins heimische Netz und maximal 7,70 Euro pro Gigabyte Datenvolumen. Ein Beispiel aus der Kalkulation der Unternehmen: Wer zu Haus eine Bundle-Vertrag über unbegrenztes Telefonieren, SMS und drei Gigabyte an Daten für 30 Euro gebucht hat (inklusive Mehrwertsteuer), darf dieses Datenkontingent auch in der EU verbrauchen. Übersteigt er diese Menge aber, fallen Zusatzgebühren an.

Ich habe eine Kreuzfahrt entlang der Küsten der EU geplant. Gilt die Abschaffung der Roaminggebühren auch auf hoher See?

Nein. Das liegt daran, dass sich Mobiltelefone dann mit dem Bordnetzwerk des Schiffes verbinden. Sobald das Land für das Handy nicht mehr erreichbar wird, können Telefonate und mobiles Surfen teuer sein. Deshalb sollte man auf hoher See die automatische Netzwahl abschalten.

Kann ich künftig mit meinem Handy am Strand Filme aus meinem Netflix- oder Amazon-Abo gucken oder Fußball via Sky Go?

Nein, das wird noch dauern. Denn dabei geht es nicht nur um Roamingzuschläge, sondern um die Rechte an diesen Angeboten. Die EU regelt dies gerade in einer neuen Richtlinie, die 2018 in Kraft tritt.

Ich stelle bei der ersten Rechnung nach dem 15. Juni fest, dass mir die Auslandszuschläge weiter in Rechnung gestellt werden. Was kann ich tun?

Die EU-Kommission rät, sich den Provider zu kontaktieren. Sollte der den Fehler nicht einsehen und zu viel gezahltes Geld erstatten, kann sich der Kunde in Deutschland an die Bundesnetzagentur unter www.bundesnetzagentur.de wenden. Das ist die deutsche Aufsichtsbehörde, die die Einhaltung der Gesetze überwacht.

Detlef Drewes

Die drei wichtigsten Tipps für den Auslandsaufenthalt

So sparen Sie Geld, wenn Sie mit dem Handy im Ausland unterwegs sind. Die drei wichtigsten Tipps.

1 Wer nur wenige Tage außerhalb der EU unterwegs ist, sollte das Roaming abschalten und ausschließlich dann telefonieren und surfen, wenn ein WLAN-Netz im Hotel, Restaurant oder in der Nähe öffentlicher Gebäude vorhanden ist.

2 Eine aktivierte Mailbox kostet Geld. Der Anruf wird nämlich erst im Gastland empfangen und dann wieder auf die heimatliche Mailbox zurückgeleitet. Deshalb diese Anrufweiterleitung unbedingt vor der Abreise abschalten.

3 Wer länger unterwegs ist, seinen Urlaub in Indonesien oder auf Kuba gebucht hat oder in den USA bummeln geht, sollte sich eine SIM-Karte für das jeweilige Land besorgen. Diese kann man in Deutschland kaufen. Es gibt sie für einzelne Länder, aber auch für Verbindungen aus aller Welt. Ein Preisvergleich lohnt sich. Doch dann ist man nicht mehr unter der bekannten Handynummer erreichbar. Tipp: Nehmen Sie ein altes Handy zum Telefonieren mit heimischer SIM-Karte mit und surfen mit der Card für das Gastland. Detlef Drewes

Neuregelung hat viele Fallstricke

Brüssel. Menschen mit Fernbeziehung und ungünstigem Handyvertrag haben sich womöglich zu früh gefreut: Zwar schafft die EU zum 15. Juni die Extragebühren für die Handynutzung im EU-Ausland weitgehend ab, Gespräche ins EU-Ausland kosten aber so viel wie zuvor.

„Das bleibt ein großes Ärgernis“, klagt die Verbraucherschützerin Isabelle Buscke, die den Verbraucherzentrale Bundesverband in Brüssel vertritt. Telefonate ins Ausland fallen eben nicht unter die Neuregelung – „das kann durchaus mal 2 Euro die Minute kosten“.

Wer also mit dem Autovermieter auf Mallorca verhandeln will oder die polnische Nummer der Liebsten in Warschau wählt, sollte die Bestimmungen seines Vertrags gut kennen. „Die Verbraucher müssen weiter in das Kleingedruckte schauen“ – trotz der grundsätzlich verbraucherfreundlichen Roaming-Neuregelung, warnt Buscke. Die soll dafür sorgen, dass Anrufe und mobile Internetnutzung beim Aufenthalt in anderen EU-Ländern nicht teurer ausfallen als daheim.

Die Änderung kann kuriose Folgen haben: Wer mit deutschem Handyvertrag aus Deutschland in Spanien oder Polen anruft, zahlt unter Umständen mehr, als wenn er das gleiche Telefonat aus Spanien oder Polen oder einem beliebigen anderen EU-Land führt. „Das ist das Knifflige und das Unbefriedigende an der Neuregelung“, sagt Buscke.

Unklar ist auch, ob wirklich alle Handykunden in den Genuss der neuen Vorgaben kommen, oder ob besondere Vertragsklauseln das verhindern. „Wir machen keine Unterscheidung“, versichert Andreas Middel von der Deutschen Telekom. Ähnlich verspricht seine Vodafone-Kollegin Sarah Roetzer: „Alle Consumer Kunden werden ab 15. Juni von den regulierten Bedingungen in der EU automatisch und uneingeschränkt profitieren und keine Roaminggebühren mehr zahlen.“ Jörn Borm von Telefónica (O2) kann hingegen nicht sagen, wie hoch der Anteil jener Kunden sein wird, die „zum 15.06. reguliert werden“. Im Mai hatte der Konzern seinen Umsatzrückgang des vergangenen Jahres unter anderem auf die gesenkten Roaming- und Durchleitungsentgelte zurückgeführt: Das Unternehmen habe wegen der Regulierung rund 35 Millionen Euro weniger eingenommen als 2015. Verbraucherschützer erwarten, dass die Anbieter sich überlegen, wie sie die neuen Regeln anwenden.

Und dann ist da noch die sogenannte Fair-use-Regelung. Die soll verhindern, dass sich Verbraucher einfach den billigsten Anbieter in Europa aussuchen und mit dessen SIM-Karten grenzenlos günstig telefonieren. Vodafone behalte sich Aufschläge gemäß dieser Regelung vor, erklärt Sprecherin Roetzer.

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