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Der Dauerbrenner – Dieselmotor feiert 125. Geburtstag

Vom Welterfolg und Paradebeispiel deutscher Ingenieurskunst zum Fortschrittsbremser und ewigen Schmuddelkind? Der Diesel hat es nicht leicht heutzutage. Die Motortechnik – vor 125 Jahren, am 27. Februar 1892, von ihrem Erfinder Rudolf Diesel in Berlin zum Patent angemeldet – ist durch den millionenfachen Abgasbetrug bei VW in Verruf geraten.

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Und als wären die gefälschten Werte zum Ausstoß von Stickoxiden bei Modellen des Autokonzerns nicht schon genug, entbrannte in ganz Europa auch noch eine Debatte darüber, ob man den Selbstzünder nicht aus städtischen Umweltzonen verbannen sollte. Dabei ist der Diesel eine Antriebsart, die mehr als ein Jahrhundert nach ihrer Geburt zumindest übergangsweise durchaus eine Zukunft haben dürfte. Das Image mag angekratzt, aber besonders moderne Varianten der „rationellen Wärmekraftmaschine“ können ökologisch auch im Vorteil sein.

Renaissance des Dieselmotors?

Der Präsident des Autoverbands VDA, Matthias Wissmann, glaubt, dass neue Technologien mit synthetischem Ökosprit „einen neuen Frühling“ in den klassischen Motoren erleben können: „Wir werden auch 2030 noch hocheffiziente Verbrenner brauchen.“ Die Nachfrage entwickelte sich zuletzt durchwachsen. 2016 war in Deutschland knapp jedes zweite neue Auto ein Diesel, der Marktanteil sank jedoch von 48 auf 45,9 Prozent.

Verglichen mit Ottomotoren ähnlicher Leistung kamen ältere Diesel bis zur Euro-5-Abgasnorm meist nicht um ein Dilemma herum: Die Senkung des Verbrauchs – und damit auch des Klimagases CO2 – gelang in der Regel besser als bei Benzinern, weil Dieselmotoren aufgrund der Selbstentzündung des Kraftstoffgemischs im Zylinder effizienter arbeiten. Dafür stoßen sie im Schnitt aber größere Mengen Stickoxide (NOX) aus, die bei hoher Konzentration als Atemgifte wirken können. Auf Superbenzin ausgelegte Motoren konnten demgegenüber mit einer besseren NOX-Bilanz punkten, pusteten dafür mehr CO2 in die Luft.

In den vergangenen Jahren hat sich die Technik allerdings stark weiterentwickelt. Während Benziner durch kleinere Hubräume bei gleichzeitiger Leistungssteigerung („downsizing“) oft deutlich sparsamer und CO2-ärmer als herkömmliche Spritschleudern wurden, hievten Ingenieure den Diesel in erträglichere NOX-Bereiche. Eine wichtige Rolle spielt dabei die zunehmende Verbreitung der „Adblue“-Technik. Die Einspritzung von Harnstoff in den Abgasstrom führt dazu, dass der Katalysator besser läuft und mehr Stickoxide zu harmlosen Stoffen reagieren, bevor die Rückstände den Auspuff verlassen.

Dennoch muss der Diesel mit großer Skepsis kämpfen – angesichts des in den USA ausgebrochenen Abgasskandals zum Teil durchaus zu Recht. In den Vereinigten Staaten sind Behörden und Gesundheitspolitik traditionell besonders sensibel, wenn es um NOX oder Feinstaub geht.

In der EU hingegen sind vor allem strenge CO2-Regeln ein zentraler Pfeiler der Umweltpolitik. Nach dem Jahr 2020 dürfen die Flotten der Autohersteller in Europa nur noch durchschnittlich 95 Gramm des Treibhausgases pro gefahrenen Kilometer in die Atmosphäre blasen.

Mit ihrer Forderung einer blauen Plakette für Wagen mit geringem NOX-Ausstoß konnte sich Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bislang nicht durchsetzen. Dabei läuft gegen Deutschland seit 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren der EU, weil vielerorts Grenzwerte nicht eingehalten werden. Seit Dezember muss die Bundesregierung sich außerdem wegen zu laxen Vorgehens gegen Abgastricksereien der Autokonzerne gegenüber der Kommission in Brüssel rechtfertigen.

Zukunft gehört der Elektromobilität

Der Ausbau der Elektromobilität und weiterer Alternativen wie Brennstoffzelle oder Erdgasmotor – so schleppend er derzeit auch noch läuft – wird die Marktanteile mittelfristig sicher verschieben, schätzt der scheidende Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber: „Wir planen jetzt den Großangriff.“ Auf dem Weg dorthin wird man jedoch kaum auf moderne Diesel verzichten können.

Ein Faktor beim Diesel sind neben dem häufig hohen Anschaffungspreis auch die Betriebskosten. Solange die Kfz-Steuer für Dieselautos über der für Benziner liegt, ist der Umstieg nur bedingt attraktiv. Andererseits wird Dieselkraftstoff heute noch geringer besteuert als Benzin. Hinzu kommt, dass der Antrieb aus anderen Branchen nicht wegzudenken ist.

Beispiel Schifffahrt: Auf den Weltmeeren fahren Containerriesen mit teils haushohen Dieselaggregaten. Der Ausstoß von Schadstoffen hat auch hier Umweltschützer auf den Plan gerufen – ein Punkt, der laut Nabu lange unterschätzt wurde: „Die Seeschifffahrt hat ein massives Abgasproblem“, so der Naturschutzbund. Die Branche will daher weg von Schweröl und altem Diesel und schrittweise sauberere Motoren einsetzen. Der Lkw-Verkehr dürfte ebenfalls mittelfristig auf Diesel angewiesen bleiben, Hybrid- oder Elektrolaster erreichen keine größeren Stückzahlen.

Ausgedient hat der moderne Diesel also noch nicht. Peter Mock – Europachef der Umweltorganisation ICCT, die den VW-Skandal mit aufdeckte – betont: „Ihn sauber zu bekommen, ist absolut möglich.“ Die Erben von Rudolf Diesel müssten sich insofern ranhalten, mahnt der Ex-Mitarbeiter der Daimler-Umweltabteilung. „Die Reise geht immer mehr in Richtung Elektrifizierung. Das wird immer günstiger werden.“

Jan Petermann/Andreas Hoenig

Der Ingenieur und seine Jahrhunderterfindung

Der Motor, der seinen Namen trägt, ist eine Jahrhunderterfindung: Am 27. Februar 1892 meldet Rudolf Diesel beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin eine „neue, rationelle Wärmekraftmaschine“ zum Patent an. Ein Jahr später erhält Diesel dieses unter der Nummer 67207. Es ist der Anfang einer Weltkarriere. Ohne seinen Dieselmotor wären Menschen und Güter in der heutigen Welt längst nicht so in Bewegung.

Diesels Idee war, Luft im Motorbrennraum so großem Druck auszusetzen, dass sich der Kraftstoff von selbst entzündet. Dieselmotoren arbeiteten deutlich effektiver als andere Antriebe. Sie hatten anfangs einen Wirkungsgrad – das Maß, in dem der Motor die zugeführte Energie nutzen kann – von etwa 26 Prozent und übertrafen damit die Dampfmaschine um mehr als das Doppelte. Moderne Dieselmotoren erreichen heutzutage inzwischen einen Wirkungsgrad von um die 50 Prozent.

Rudolf Diesel wurde 1858 als Sohn eines süddeutschen Buchbinders in Paris geboren. In den Wirren des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 kam er als Flüchtling von der französischen Hauptstadt über London nach Augsburg. Diesel wurde Ingenieur. Mit der Idee seines Lebens – dem später nach ihm benannten Wärmemotor – stieß er zunächst auf große Skepsis.

Der Direktor der Maschinenfabrik Augsburg, eine der Wurzeln des Lastwagenbauers MAN, bot Diesel schließlich einen Entwicklungsvertrag an. Und die Reaktion auf Diesels Erfindung war enorm. Auf der Weltausstellung in Paris 1900 wurde der Motor mit dem „Grand Prix“ ausgezeichnet. Ausländische Unternehmen schlossen Lizenzverträge für den Bau von Dieselmotoren. Die Anstrengungen und Kämpfe seiner Erfinderkarriere machten Diesel aber gesundheitlich zunehmend zu schaffen.

Am 29. September 1913 kam der Erfinder ums Leben. Sicher ist nur, dass Rudolf Diesel an jenem Tag auf dem Schiff „Dresden“ eine Kabine für eine Fahrt über den Ärmelkanal von Belgien nach England gebucht hatte. In der Nacht ging der 55-Jährige über Bord und ertrank. War es ein Unfall, Mord oder Suizid? Diesels Tod ist bis heute rätselhaft.

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