Berlin/Rheinland-Pfalz

Fußfessel für Gefährder ist im Land höchst umstritten

Von Ursula Samary
Die Fußfessel besteht aus einem Sender, der oberhalb des Knöchels angelegt wird und mit dem sich die Person orten lässt. Der Sender gibt Alarm, wenn jemand den Sender abreißt oder erlaubte Zonen verlässt.  Foto: dpa
Die Fußfessel besteht aus einem Sender, der oberhalb des Knöchels angelegt wird und mit dem sich die Person orten lässt. Der Sender gibt Alarm, wenn jemand den Sender abreißt oder erlaubte Zonen verlässt. Foto: dpa

Kommt die elektronische Fußfessel für islamistische Gefährder, damit sie nicht wie der Attentäter Anis Amri durch Deutschland reisen und immer wieder untertauchen? Könnte die Fessel terroristische Anschläge verhindern? Während Fachausschüsse des Bundestags aktuell Gesetzesverschärfungen diskutieren, äußert der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) ebenso seine Skepsis wie Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). Dabei hat die Bundes-SPD mit der Union in der Großen Koalition gleich mehrere Gesetzesverschärfungen nach Amris Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt vorgelegt, um mögliche sowie bereits verurteilte Gefährder besser zu kontrollieren.

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Die Mainzer Landesregierung unterstützt eigentlich nur das Ziel eines Bundesgesetzes, extremistische Straftäter – wie bereits heute Sexualverbrecher – nach einer Haftentlassung vorsichtshalber elektronisch an die Kette zu legen, wenn die Gefahr neuer Straftaten droht. Dies soll heute auch den Bundestag beschäftigen. Dass die Fußfessel aber auch vorsorglich angelegt werden soll, halten Innen- wie Justizministerium in Rheinland-Pfalz eher für ein zweischneidiges bis stumpfes Schwert: Denn mit der Anordnung, jemandem eine elektronische Fußfessel zu verpassen, müssen Polizei und Justiz auch offenbaren, dass sie eine bestimmte Person als potenziell gefährlich einstufen.

Landesregierung: Kein voller Schutz

Aber: „In vielen Fällen sind die Sicherheitsbehörden darauf angewiesen, dass sie Erkenntnisse zu einem bestimmten Gefährder zusammentragen können, ohne dass der Betroffene davon weiß und sein Handeln darauf einstellen kann“, erklärt Steffen Wehner als Sprecher des Innenministeriums. Und: Voller Schutz vor schweren Straftaten sei schon gar zu erwarteten. In der Tat: In Frankreich tötete ein elektronisch überwachter Mann einen Priester.

Das Innenministerium erhofft sich von einer Fußfessel nur dann eventuell präventiven Erfolg in Fällen, „in denen die Polizei offen ermittelt“. Dies könnte aber auf den Fall eines abgelehnten Asylbewerbers zutreffen, der wegen mangelnder Papiere nicht abgeschoben werden kann, ist im hessischen Justizministerium Sprecher René Brosius überzeugt – auch mit Blick auf Attentäter Amri. Denn als Zonen, die nicht verlassen oder betreten werden dürfen, ließen sich auch ganze Städte und Kreise, nicht nur Objekte wie Flughäfen, Bahnhöfe oder Moscheen festlegen. Im Mainzer Justizministerium weist dagegen Sprecher Christoph Burmeister darauf hin, dass potenzielle Terroristen immer schnell ausweichen könnten. Dagegen sei bei Sexualstraftätern gut die Auflage zu kontrollieren, dass sie sich Kindergärten und Schulen nicht nähern dürfen. Angesichts dieser Vorbehalte, will die Mainzer Landesregierung jedenfalls mit Sicherheits- und Justizbehörden prüfen, ob der Gesetzentwurf des Bundes am Ende auch „verfassungsrechtlich möglich und sachgerecht wäre“.

Rheinland-Pfalz hat bisher wenig eigene Erfahrungen mit der elektronischen Überwachung. Nur für sechs Personen wurde sie bislang im Rahmen der Führungsaufsicht nach der Haftentlassung richterlich angeordnet, wie Burmeister berichtet. In einem Fall wurde der Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz nach wenigen Wochen wieder aufhoben. Drei Personen zogen, kaum aus dem Gefängnis entlassen, in andere Bundesländer um; eine reiste – wie verfügt – nach einer Woche ins Heimatland aus. Nur in einem Fall trug jemand die Fessel etwa ein Jahr lang – bis erneut die Handschellen klickten. Immerhin konnten die Daten der GPS-Überwachung helfen, die neuen Straftaten (unter anderem Diebstähle) aufzuklären, wie Burmeister sagt.

Hessen: Auf Hooligans ausdehnen

Die im Januar 2012 eingeführte elektronische Fußfessel besteht aus einem am Bein getragenen wasserdichten GPS-Sender. Wird das Befestigungsband zerstört oder verlässt der Überwachte zuvor festgelegte Zonen, löst der Sender Alarm aus. In der zentralen Überwachungsstelle im hessischen Bad Vilbel lässt sich dann auf einer elektronischen Karte der Fluchtweg verfolgen. Bisher versucht man so, vor allem Sexualverbrecher sicherheitshalber im Auge zu behalten, die Gefängnisse nach längerer Haftstrafe verlassen. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 88 Menschen mit elektronischer Fußfessel überwacht, 63 wegen eines Sexual- und 25 wegen eines Gewaltdelikts. Bayern ordnete sie am häufigsten an, zuletzt in 31 Fällen. Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) machen die Erfahrungen Mut, die Fußfessel auch einzusetzen, um extremistische Gefährder zu überwachen oder um häusliche Gewalt oder schwere Randale bei Fußballspielen zu verhindern.

Von unserer Chefreporterin Ursula Samary