Passt das mit Indien?
Die EU will sich von Washingtons Protektionismus nicht unterkriegen lassen – und ist deshalb auf der Suche nach neuen Partnern. Indien ist eine Möglichkeit: Das Riesenland ist wirtschaftlich aufstrebend, die Handelsbeziehungen ausbaufähig. So exportiert Deutschland derzeit lediglich Waren im Wert von rund 10 Milliarden Euro nach Indien, ein Klacks im Vergleich zu anderen Handelspartnern – Indien schafft es damit gerade so in die Top 25.
Deshalb versprach sich die Wirtschaft auch viel vom Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem indischen Premier Narendra Modi. Der betonte in Berlin, Indien wolle sich „gemäß globaler Standards“ weiterentwickeln. Im Mittelpunkt steht die Zukunft von 800 Millionen Jugendlichen auf dem Subkontinent. „Wir brauchen Berufsbildung für diese Jugendlichen.“ Modi sagte: „Die ganze Welt ist abhängig von Innovation, ohne Innovation kein Fortschritt.“
Merkels schwieriger Spagat
Deutschland und Indien unterzeichneten mehrere Abkommen zur Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie, Klimapolitik und Entwicklungszusammenarbeit. Die Zusammenarbeit mit Indien ist von überragender Bedeutung, sagte Merkel. Sie stellte aber klar, das Treffen sei „in keiner Weise gegen irgendwelche anderen Beziehungen gerichtet, und schon gar nicht gegen die transatlantischen Beziehungen, die historisch für uns von großer Wichtigkeit sind und auch in Zukunft bleiben werden“. Einen ähnlichen Spagat hatte tags zuvor schon EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vollführt. „Es geht darum, sicherzustellen, dass Europa sein eigenes Schicksal bestimmt“, erklärte Juncker. Man wolle aber auch „die guten transatlantischen Beziehungen fortsetzen“.
Die EU bastelt intern an einer Strategie für die mittelfristige und längere Zukunft, für die sie vielversprechende Partner braucht. Dazu gehört auch China, dessen Premierminister Le Kiqiang morgen und am Freitag in Brüssel erwartet wird. Dort geht es nicht mehr nur um die üblichen Klagen über Überproduktion und schlechte Qualität – noch immer sind es vor allem chinesische Produkte, die EU-Behörden einziehen, weil sie nicht den europäischen Sicherheitsvorgaben entsprechen. Ausgerechnet beim zentralen Thema Klimaschutz, das US-Präsident Donald Trump beim G7-Gipfel so rüde abbügelte, ziehen Brüssel und Peking mehr und mehr an einem Strang, wenn auch auf höchst unterschiedlichem Niveau. Beide Partner versprechen sich von der intensiveren Nutzung erneuerbarer Energien für die Zukunft massive Wettbewerbsvorteile und setzen darauf, dass Strom aus Sonne und Wind extrem billig werden dürfte.
Auch beim Treffen von Merkel und Modi spielte der Klimaschutz eine wichtige Rolle. Die Kanzlerin betonte, dass Deutschland Indien bei der Verwirklichung des Pariser Klimaschutzabkommens unterstützen will. „Indien setzt das Abkommen intensiv um“, betonte sie. Das Land befinde sich aber „in einer anderen Entwicklungsphase“ als Deutschland. Der handelspolitische Brückenschlag nach Asien verläuft derzeit nach Wunsch der EU und ihrer Unternehmen. „Wir sehen Asien als langfristiges Projekt“, betonte ein Mitglied der EU-Kommission gegenüber unserer Zeitung. Das soll wohl heißen: Europa wird sich weiter um US-Kunden bemühen, aber sich gleichzeitig auch schon nach neuen Märkten umsehen. Detlef Drewes/dpa