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Westerwaldkreis

Verschuldung wird oft lange Zeit verdrängt: Caritasverband hilft Betroffenen

Rolf Günther ist einer von drei hauptamtlichen Ansprechpartnern in der Schuldner- und Insolvenzberatung im Caritas-Zentrum in Montabaur. Der 47-jährige Diplom-Sozialarbeiter absolvierte 2001 sein Anerkennungsjahr beim Caritasverband und landete damals, wie er selbst sagt, „zufällig in der Schuldnerberatung“. Seither steht er dort Hilfesuchenden mit Rat und Tat zur Seite.  Foto: Caritasverband
Rolf Günther ist einer von drei hauptamtlichen Ansprechpartnern in der Schuldner- und Insolvenzberatung im Caritas-Zentrum in Montabaur. Der 47-jährige Diplom-Sozialarbeiter absolvierte 2001 sein Anerkennungsjahr beim Caritasverband und landete damals, wie er selbst sagt, „zufällig in der Schuldnerberatung“. Seither steht er dort Hilfesuchenden mit Rat und Tat zur Seite. Foto: Caritasverband

Unbezahlte Rechnungen und ein überzogenes Konto – immer mehr Menschen hierzulande geraten in die Schuldenfalle. Laut des vom Inkassounternehmen Creditreform veröffentlichten Schuldneratlas 2016 waren zum 1. Oktober vergangenen Jahres bundesweit 6,8 Millionen volljährige Personen überschuldet. Das sind 131.000 mehr als zwölf Monate zuvor. Auch im Westerwaldkreis geraten immer mehr Menschen in finanzielle Schieflage.

Lesezeit: 4 Minuten
Ist der Schuldenberg dann so groß, dass er alleine nicht mehr abzubauen ist, suchen die Betroffenen oft Rat und Hilfe in der Schuldnerberatung – etwa beim Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn. Bis zu drei Monate Wartezeit Insgesamt 516 Beratungen zählten die Mitarbeiter der Caritas-Beratungsstelle in Montabaur sowie in der Außenstelle in Hachenburg im Jahr 2016 ...
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Finanzielle Schieflage: Hilfe am besten früh in Anspruch nehmen

„Ich sehe wieder Licht am Ende des Tunnels“, sagt Mark S. (Name von der Redaktion geändert) aus Montabaur und strahlt. Lange Zeit war dem 43-jährigen Westerwälder allerdings gar nicht zum Lachen zumute. Mark S. hatte Schulden. Ziemlich viele Schulden. Dank der Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn hat er nun jedoch den Weg gefunden, der ihn aus der Schuldenfalle wieder hinausführt.

Über die Gründe, die ihn erst in diese Falle getrieben haben, kann Mark S. heute offen sprechen. Das war nicht immer so. Jahrelang verschloss er die Augen vor seiner Situation, wollte das Problem nicht wahrhaben und glaubte stets, sich selbst helfen zu können.

So wie dem 43-Jährigen ergeht es vielen Menschen, die zu Katja Groß-Abel und ihren Kollegen in die Beratungsstelle nach Montabaur kommen. „Der Verlauf von Herrn S. in die Überschuldung ist absolut klassisch. Ein Hauptproblem ist, dass es einem heute recht einfach gemacht wird, Schulden zu verursachen, etwa durch die Überziehung des Dispokredites“, sagt die Schuldnerberaterin der Caritas. 2007 war die Welt für Mark S. noch in Ordnung. Er hatte einen Job, bei dem er gut verdiente, und bezog mit Frau und Sohn das neu gebaute Haus im Oberwesterwald. „Die Hypothek war damals unserem Haushaltseinkommen angemessen“, berichtet er. Nach und nach kamen weitere kleine Kredite hinzu, eine Kreditkarte wurde angeschafft, und auch das Girokonto wurde mal überzogen. Alles allerdings noch im Rahmen und überschaubar. Die eigentlichen Probleme begannen, als Mark S. 2010 seinen Job aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und arbeitslos wurde. Plötzlich fehlten der kleinen Familie Einnahmen, die Zahlungen für die verschiedenen Kredite aber mussten weiter geleistet werden.

Zwar fand der Westerwälder nach rund elf Monaten eine neue Anstellung, aber schon zu diesem Zeitpunkt steckte die Familie in finanziellen Nöten. Wahrhaben wollte Mark S. dies zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht. „Das war ein schleichender Prozess“, erinnert er sich. Hinzu kam, dass er und seine Frau sich 2012 trennten. Auslöser dafür war zwar nicht die finanzielle Situation, dennoch wurden die Probleme auch nicht weniger. „Zu dieser Zeit stand ich mir teilweise selbst im Weg. Ich dachte immer: Du findest selbst eine Lösung dafür.“ Ein großer Irrtum, wie er schließlich Ende 2013 feststellen musste. „Da war das Ende der Fahnenstange endgültig erreicht“, so S., der mittlerweile längst hoch verschuldet war. Und dennoch gewährte ihm eine Bank einen weiteren Kredit. „Letztendlich war das Unsinn, ich habe meine Schulden dadurch nur von einer Tasche in die andere verlagert. Ich habe mich damals immer wieder selbst belogen“, ist er heute umso einsichtiger.

Sein großes Glück war, dass insbesondere seine Familie während der ganzen Zeit zu ihm stand und ihn unterstützte. Aus deren Reihen kam schließlich auch der Tipp: „Geh doch mal zur Schuldnerberatung.“ Im März 2014 schließlich überwand er sich und nahm erstmals Kontakt mit der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas auf. Zu dem Zeitpunkt hatte er knapp 300.000 Euro Schulden, und das Haus der Familie stand gerade zum Verkauf. „Bevor wir mit der endgültigen Beratung beginnen konnten, mussten wir den Hausverkauf noch abwarten“, sagt Katja Groß-Abel. Am Ende blieb ein Schuldenberg von rund 150.000 Euro. Den galt es nun abzubauen. Zunächst setzte sich die Caritas-Beraterin mit den Gläubigern in Verbindung und unterbreitete ihnen entsprechende Zahlungsvorschläge. „Trotz der hohen Summe wollten wir versuchen, das Ganze ohne Insolvenzverfahren abzuwickeln“, so Groß-Abel. „Dies war nur möglich, da Herr S. ein relativ gutes Einkommen hat.“

Ende 2016 hatte die Beraterin schließlich mit allen Gläubigern eine Einigung erzielen können. Für Mark S. eine gute Nachricht: Wenn alles so läuft wie geplant, ist er in fünf Jahren so gut wie schuldenfrei. „Das ist ein schöner Gedanke“, stahlt der 43-Jährige, der mittlerweile im Umgang mit Geld sehr sensibel geworden ist: „Ich kaufe mir nur noch Dinge, die ich auch bar bezahlen kann.“ Gelernt hat er aber auch noch etwas anderes: „Ohne die Unterstützung der Caritas-Schuldnerberatung wäre ich da wohl so nicht mehr raus gekommen“, unterstreicht der Montabaurer und appelliert: „Manche Dinge kann man einfach nicht alleine lösen. Es gibt Beratungsstellen mit Menschen, die einem helfen. Und diese Hilfe sollte man auch in Anspruch nehmen. Am besten frühzeitig.“

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