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WARTEZEIT FÜR DIE GESUNDHEIT 9: Medizinstudium – Nur Geduld hilft weiter

Dichtes Gedränge: Etwa 230 Studenten beginnen jährlich ihr Medizin-Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.
Dichtes Gedränge: Etwa 230 Studenten beginnen jährlich ihr Medizin-Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Foto: Markus Schmidt, Unimedizin Mainz

Wie sich ein Bad Sobernheimer (19) und ein Bad Kreuznacher (37) ihren Berufswunsch Arzt erfüllen wollen, das ist ein neuer Teil unserer Arztserie. Dabei müssen wir vorwarnen: Mit Romantik hat die praktische Liebe zur Medizin nichts zu tun.

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Dichtes Gedränge: Etwa 230 Studenten beginnen jährlich ihr Medizin-Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.

Markus Schmidt, Unimedizin Mainz

Daniel Oesterle hat nach langem Warten einen Studienplatz bekommen, im Diakonie-Krankenhaus übernimmt er als Pfleger aber weiterhin Schichten.

Christoph Erbelding

Das ASB-T-Shirt wird er weiterhin tragen, die Medizin-Literatur kommt irgendwann neu hinzu: Jonas Ferdinand wartet auf einen Studienplatz.

Christoph Erbelding

Peter Pulkowski/Universitätsmedizin Mainz

Unser Redakteur Christoph Erbelding hat mit Jonas Ferdinand (19) aus Bad Sobernheim und Daniel Oesterle (37) aus Bad Kreuznach über verschiedene Wege zum begehrten Medizin-Studienplatz gesprochen. Bisher hat einer der beiden eine Zusage ergattert.

Jonas Ferdinand (19) aus Bad Sobernheim

Mittlerweile trinkt Jonas Ferdinand auch Kaffee. „Das hat mir nie geschmeckt“, sagt der junge Mann aus Bad Sobernheim und muss dabei grinsen. Ferdinand (19) hat ein Ziel: Er will Arzt werden. Und dass er sich nun für die schwarze Brühe begeistern kann, ist doch fast so etwas wie eine Grundvoraussetzung dafür, diesen stressigen Beruf irgendwann einmal zu ergreifen. Zu behaupten, dass ihm Kaffee mittlerweile mundet, ist zwar immer noch kühn. „Aber mit Milch und Zucker geht es.“

Der Bad Sobernheimer ist zum Kaffeetrinker geworden, weil er mittlerweile sehr früh aufstehen und arbeiten muss. Er ist seit knapp einem Jahr als Rettungssanitäter beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) tätig. Bis Mai hat er ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert. Seitdem ist die Aufgabe seine Nebentätigkeit. Das alles sind noch immer erste Schritte ins Berufsleben. Und dieses soll für ihn irgendwann in den kommenden Jahren einmal die Zulassung als Mediziner bereithalten.

Ferdinand ist ein aufgeräumter junger Mann. Keiner, der sich irgendwie aus einer Laune heraus in den Kopf gesetzt hat, Arzt werden zu wollen. Er weiß um die Härte des Studiums, weiß um die hohen Durchfallquoten. Doch sein Plan hat seit langer Zeit Bestand, und nun will er ihn Schritt für Schritt umsetzen. Mit der nötigen Geduld, aber auch mit Nachdruck. Seine Eltern sind Ärzte. Der Weg ist also vorgezeichnet. Doch Ferdinand bringt neben den familiären noch weitere gute Voraussetzungen mit. Sein Abitur hat er am Emanuel-Felke-Gymnasium in Bad Sobernheim mit der Topnote 1,6 absolviert.

Und doch muss sich Jonas Ferdinand gedulden. Denn um sich einen der begehrten Studienplätze zu sichern, war die Note am Rande des sehr guten Bereichs eben erst einmal nicht gut genug. Also machte er den Medizinertest. Diese Prüfung wird einmal im Jahr im Auftrag der deutschen Kultusministerkonferenz angeboten. Ferdinand schnitt bemerkenswert stark ab – er landete unter den besten 20 Prozent. „Damit verbessert sich meine Abi-Note bei der Bewerbung um einen Studienplatz an einigen Hochschulen um 0,6 Prozent.“ Will sagen: Er liegt jetzt bei einer inoffiziellen 1,0, zumindest an manchen Universitäten – hat aber immer noch keine Sicherheit, einen Studienplatz zu erhalten. Und nur auf die Wartesemester zu setzen, ist für ihn keine Alternative. „Dann müsste ich vielleicht 15 Semester warten, das ist mir zu lang.“

Am liebsten würde Ferdinand in Mainz studieren. Dann könnte er in der Nähe der Heimat bleiben. Er will weiter seinem Hobby nachgehen: Cheerleading – er tanzt für den TuS Monzingen. Außerdem sind neben der Familie auch die meisten Freunde noch in der Region. Weiter weg zieht es ihn also nicht. Er würde zu einem Studienplatz im Norden oder Osten der Republik aber trotzdem nicht „Nein“ sagen. Nur den Umweg übers Ausland, den viele Deutsche gehen, schließt er aus. „Dafür bin ich nicht so der Typ.“

Auch im Hinblick auf seine Arbeit beim ASB wäre ein Studienplatz in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt viel wert. Denn die will er weiterführen und weitere Erfahrungen sammeln, die ihm mit Blick auf die weitere Berufskarriere helfen können. Im März 2016 hat er sein Abi gemacht, im Mai ging es direkt beim ASB los. Er ließ sich drei Monate lang zum Rettungssanitäter ausbilden und ist nun Teil des Teams und besetzt Sanitätsdienste, ist aber auch an Events wie der Straßenfastnacht oder beim Firmenlauf im Einsatz. Auf 450-Euro-Basis will er weiterhin für den ASB arbeiten. Das wären fünf bis sechs Dienste im Monat.

„Ich wollte schauen, ob dieser Berufszweig wirklich etwas für mich ist“, sagt Ferdinand, wenn er darauf zurückblickt, warum er sich für eine Tätigkeit beim ASB entschieden hat. In jüngeren Jahren hatte er mal ein zweiwöchiges Praktikum im Diakonie-Krankenhaus in Simmern absolviert. Nach einem Jahr beim ASB und mit Blick auf seine künftige Zeit als Medizinstudent sagt er: „Der Stress in diesem Berufsfeld ist heftig. Aber es gibt eben nichts, was mich genauso interessiert.“

Dass ihn die Arbeit beim ASB mittlerweile dazu ermuntert hat, irgendwann auch eine Notarzt-Fortbildung absolvieren zu wollen, verwundert kaum. Ferdinand will sich ansonsten zwar noch nicht komplett festlegen. Stand heute: Er strebt keine Tätigkeit als Arzt in einer ländlichen Region an. Ihn zieht es in die Krankenhäuser. Die Fachrichtung will er sich offen lassen. Und sagt weise: „Es liegen sechs Jahre Studium dazwischen. Da schließe ich prinzipiell gar nichts aus.“ Außer vielleicht, dass er es mit dem Kaffeekonsum in absehbarer Zeit vielleicht doch wieder sein lassen wird. ce

Daniel Oesterle (37) aus Bad Kreuznach

Daniel Oesterle hat es im Urlaub mit seiner Frau erfahren. Als Rucksacktourist. Auf den Philippinen. „Und dann haben wir erst mal gefeiert.“ Das ist wenig verwunderlich. Er hatte jahrelang auf diese Botschaft gewartet. Nun war sie da. Oesterle empfand Erleichterung in diesem Moment. Und Freude. Es war ihm auch klar, dass sich in seinem Leben fortan einiges ändern wird. Doch das hatte er ja so gewollt.

Als Daniel Oesterle (37) auf den Philippinen sein Smartphone zückte und in seinem E-Mail-Eingang stöberte, fand er die Zulassungsbestätigung für ein Studium der Humanmedizin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Jahrelanges Warten hatte sich gelohnt. Und die E-Mail war gerade rechtzeitig eingetrudelt. Schließlich galt für ihn mittlerweile die Devise: jetzt oder gar nicht mehr. „Ich hatte mir diese Deadline gesetzt“, betont Oesterle ein Jahr später. Er sitzt in der Cafeteria des Diakonie-Krankenhauses – als immatrikulierter Medizinstudent im dritten Semester an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. „Wenn es 2016 nicht geklappt hätte, wäre es das gewesen. Dann hätte ich aufgegeben.“

Sieben Jahren hatte er sich geduldet, Wartesemester angesammelt und zig Absagen registriert. Dann die Zusage. Und nun ist Oesterle im Begriff, seinen Traumberuf zu ergreifen. Er hat aber noch einen langen Weg vor sich. Physikum, Famulatur, praktisches Jahr, schriftliche Prüfungen. Doch Oesterle ist guter Dinge. Er kann zielstrebig sein. Das beweist sein Lebenslauf.

Der 37-Jährige arbeitet seit dem Jahr 2002 als Krankenpfleger im Bad Kreuznacher Diakonie-Krankenhaus. Davor standen die Ausbildung, der Zivildienst und der Realschulabschluss, den er an der Bad Kreuznacher Berufsschule gemacht hatte. Eher pflichtbedürftig, wie er zugibt. „Ich war jung, ich hatte keine Lust mehr auf Schule. Es war mir egal.“ Er wusste auch nicht so recht, was er beruflich mal machen wollte. Dann begann er die Ausbildung zum Krankenpfleger. Danach stand für Oesterle relativ schnell fest: „Ich will irgendwann Arzt werden.“

Also machte er, mittlerweile vier Jahre im Krankenhaus berufstätig, ab 2006 seine Hochschulreife am Ketteler-Kolleg in Mainz nach. Arbeiten ging er weiterhin. Er verlagerte den Großteil seiner Tätigkeiten im Krankenhaus auf die Wochenenden, auf die Nächte oder die Ferien. „Im Sommer habe ich auch mal vier Wochen durchgearbeitet“, erinnert er sich. Der Aufwand lohnte sich. Im Jahr 2009 stand das Abitur. Die Grundvoraussetzung für sein Studium.

Warum Daniel Oesterle Arzt werden will? „Mein Ziel war es immer, irgendwann einen weiteren Schritt zu machen.“ Und da bleibt nach der Ausbildung zum Krankenpfleger als größtmöglicher Schritt das Medizinstudium. Bekannt ist, dass die Krankenhäuser in Bad Kreuznach bestrebt sind, Medizinstudenten für sich zu gewinnen, etwa dann, wenn sie dort ihr Pflegejahr vor der Examensprüfung absolvieren. Viele zieht es allerdings in die großen Metropolen. Zwischen Oesterle und dem Diakonie-Krankenhaus könnte das anders sein, wenn sich sein Studium dem Ende zuneigt. Eine Verbindung erscheint sinnvoll. Er kennt dort alles und jeden, hat verschiedene Stationen durchlaufen, lange Zeit in der Inneren Medizin oder der Anästhesie gearbeitet. In der Notaufnahme ist er noch eingesetzt: Er hat neben dem Studium eine 30-Prozent-Stelle. Das sind sechs bis sieben Schichten im Monat.

Doch darüber, ob er den Schritt vom Krankenpfleger zum Arzt in seiner beruflichen Heimat machen will, muss er sich erst noch klar werden. „Hier der Pfleger, dort der Arzt, klar gibt es diese Hierarchie. Das eine ist eine dreijährige Ausbildung, das andere ein sechsjähriges Studium“, weiß Oesterle. Bleibt er, ist er seinen Kollegen von jetzt auf gleich vorgesetzt. Er ist ein lockerer Typ, macht gerne Späße. Ob das dann so einfach funktioniert? Umgehen ließe es sich dadurch, irgendwo anders anzuheuern. Beides ergibt also Sinn.

Doch das ist alles noch Zukunftsmusik. Sein Studium muss er erst mal abschließen. „Das Lernen fällt mir nicht so leicht wie einem Einser-Abiturienten, der frisch von der Schule kommt“, sagt Oesterle. Er hat aber Kommilitonen, denen es ähnlich geht, die seinem Jahrgang entsprechen oder älter sind. „Wir haben einen Piloten, der über 50 ist“, verrät er. Gemeinsam wird gelernt und auch mal gefeiert. „Aber eben nicht bis 5 Uhr.“

Eine Prüfung hat er seit Beginn des Studiums nicht bestanden. „Das war knapp“, betont er. Zweimal kann er sie nachholen. Sobald es von der Theorie in den ersten Semester in den praktischen Teil des Studiums geht, glaubt Oesterle auch, sehr von seiner Berufserfahrung zu profitieren, „gerade im Umgang mit Menschen“. Und wenn er fertig ist, zieht es ihn als Arzt in die Anästhesie. Das ist zumindest der jetzige Stand.

Doch was ist mit dem nächsten Urlaub? Geht's irgendwann wieder mit dem Rucksack los oder bleibt dazu keine Zeit mehr? „Das machen wir weiterhin“, sagt Oesterle. Es hat sich viel für ihn verändert seit dieser Nachricht auf den Philippinen – aber eben nicht alles. ce

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