Rheinland-Pfalz

Elektrische Fahrräder könnten unseren Verkehr verändern: Wird das Pedelec zum Fahrzeug der Zukunft?

Andere Länder, andere Sitten: In Baden-Württemberg schwingt sich auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grünen) schon mal aufs Pedelec.  Foto: dpa
Andere Länder, andere Sitten: In Baden-Württemberg schwingt sich auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grünen) schon mal aufs Pedelec. Foto: dpa

Das Fahrzeug der Zukunft, wie müsste es aussehen? Es müsste einen sehr geringen Schadstoffausstoß haben, leise sein, wenig Platz in Anspruch nehmen und vielleicht seinen Nutzer auch noch gesünder machen. Und es müsste einen tollen Namen haben. Vielleicht Pedelec? Sie merken schon, das Fahrzeug der Zukunft – scheinbar gibt es das schon.

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Unser Redakteur Markus Kuhlen analysiert die Rolle, die die elektrischen Fahrräder in Zukunft spielen können – und was sie daran derzeit noch hindert.

Doch wie viel Substanz steckt hinter dem Hype um die Fahrräder mit elektrischer Unterstützung? Können sie helfen, das Klima zu verbessern? Wird das Pedelec jemals eine kritische Masse erreichen? Und was muss getan werden? Eine Analyse über Chancen und Hindernisse für ein modernes Fortbewegungsmittel.

Die Möglichkeiten

Eines eint viele Studien über Pedelecs – die Möglichkeiten, die sich laut Forschern eröffnen, sind fast zu schön, um wahr zu sein. So hat die Goethe-Universität Frankfurt 2015 eine Analyse veröffentlicht, die sich mit der Bedeutung des Pedelecs als Beitrag für ein nachhaltiges Mobilitätssystem beschäftigt. Ergebnis: Das Pedelec ist nachhaltig, hat eine hohe Akzeptanz, hält Menschen gesünder, macht Städte lebenswerter, senkt den Flächenverbrauch und regt an, sich Gedanken über die Umwelt zu machen. Konkreter wird es bei der Studie „e-Velo RLP“, die das Institut für Mobilität und Verkehr an der TU Kaiserslautern durchgeführt hat. Und das bewusst nicht nur in Städten, sondern auch im Kreis Altenkirchen, also im klassischen ländlichen Raum. Ergebnis: Wenn nur gut ein Zehntel der Autofahrten von einer Länge nicht mehr als fünf Kilometern und einer Dauer von nicht mehr als 20 Minuten durch Fahrten mit dem Pedelec ersetzt würden, könnte Rheinland-Pfalz sich rund 44 Tonnen CO2 sparen – pro Tag.

Mit ähnlich beeindruckenden Zahlen wartete das Umweltbundesamt vor vier Jahren auf. Der CO2-Ausstoß eines Benziners, so die Berechnungen, liegt bei rund 22 Kilogramm auf 100 Kilometern, der eines Diesels bei rund 19 Kilogramm. Das Pedelec, um die Dimensionen zu verdeutlichen, bringt es mit indirekten und direkten Emissionen auf gut 500 Gramm. Ähnlich gut schneidet das elektrische Fahrrad bei den NOx-Werten ab – in den Innenstädten ist der Kampf gegen eben jene Stickoxide derzeit mehr als relevant. Pedelecs erleichtern das Überwinden großer Distanzen, helfen beim Transport schwerer Lasten, lassen Höhenunterschiede „schrumpfen“. Das Potenzial liegt also auf der Hand. Allein: Es lässt sich nur ausnutzen, wenn sich genügend Menschen auf die Räder schwingen.

Der Istzustand

Und hier wird die Geschichte traurig. Ernüchternd ist der Blick auf den Anteil, den das Fahrrad am täglichen Verkehr in Deutschland hat. Nur 11 Prozent aller Wege wurden 2017 mit dem Rad zurückgelegt (2008 waren es 10 Prozent). Und der Rheinland-Pfälzer? Der radelte 2017 nur auf 8 Prozent all seiner Wege, mit einem elektrischen Rad war er nur zu 2 Prozent unterwegs. Dass im Land im vergangenen Jahr 40.000 Elektroräder verkauft wurden, ist schön, dass nur in geschätzt 6 bis 10 Prozent der Haushalte ein solches steht, weniger. Die Politik fordert, dass Pedelecfahren auch über die großen Städte hinaus attraktiv werden soll, beispielsweise mit Radschnellverbindungen. Klingt gut – aber wie sieht es in der Praxis aus? Da kommen solche Projekte langsamer voran als ein rostiges Klapprad. 2014 wurde die „Potenzialbetrachtung Radschnellverbindungen“ in Rheinland-Pfalz erstellt. Sieben Potenzialräume wurden entdeckt. Vier davon – darunter die Strecken Koblenz bis Neuwied und Boppard sowie Remagen/Linz bis Bonn – erhielten keine oberste Priorität vom Verkehrsministerium. Drei andere schon. Was aber nur bedeutet, dass man sich dem Thema mit weiteren Machbarkeitsstudien nähert.

Derweil wird in benachbarten Bundesländern auf solchen Verbindungen schon gerollt beziehungsweise daran gearbeitet. Überhaupt klingt so manche Aussage im Kontext Radverkehr nicht eben zukunftsorientiert. „Wichtig ist uns, dass die Radwege flächenschonend und nicht zu breit werden, damit sie nicht an eine Autobahn erinnern“, hieß es im Mai aus dem Verkehrsministerium zum Thema Radwegeausbau. Dafür wurden im Land 2018 10 Millionen Euro ausgegeben – 8,1 Millionen davon kamen vom Bund. Und nicht nur auf dem Land sieht die Förderung mau aus, auch in den Städten rollt es nicht. Nach Meinung vieler Experten gibt es zwar genug Regeln, die Radfahrern Komfort und Sicherheit garantieren. Aber sie werden nicht umgesetzt.

Der Grundsatz, dass die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer der Flüssigkeit des Verkehrs vorgeht, wie die Straßenverkehrsordnung besagt, wird selten berücksichtigt. Die Quittung präsentiert der ADFC-Fahrradklimatest. Bei Städten zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern landet Koblenz deutschlandweit auf dem 36. von 38 Plätzen, bei Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern liegt Neuwied auf Platz 97 von 98. Es mangelt schon an Grundsätzlichem wie sicheren Abstellplätzen. Radparkhäuser wie in anderen Städten gibt es in Rheinland-Pfalz aber nur ein einziges – in Ingelheim. In Trier und Bad Kreuznach sollen weitere entstehen, das war es. Kaum Abstellplätze fürs ein Elektrogefährt also, das häufig mehr als 1000 Euro kostet.

Die Konsequenzen

Das Bild, das der Radverkehr in Rheinland-Pfalz abgibt, ist kein gutes. Wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert, liegt auf der Hand, dass das Pedelec keine entscheidende Größe erreichen wird. Was also tun? Vielleicht hilft der Blick zu den Nachbarn, beispielsweise nach Offenburg. Dort hat man 2012 den deutschen Verkehrspreis erhalten. Es gibt unter anderem öffentliche und kostenlose Ladestationen für Pedelecs an den Kreuzungspunkten überregionaler Radwege, der kommunale Fahrradverleih hat auch Pedelecs, der ÖPNV ist mit dem Radverkehr verknüpft und vieles mehr. Andernorts in Deutschland und Europa setzen die Kommunen unter anderem auf breitere Radwege, grüne Wellen für Radler, Radzonen an Ampeln für Fahrräder vor den Autos und geschützte Radfahrstreifen. So könnte das Pedelec zur lohnenden Alternative zum Auto werden. Es geht – man muss es nur wollen.

Problemkind Verkehrswende

Der Streit um Dieselfahrverbote lenkt den Blick auf ein Thema, das uns in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen wird: die Verkehrswende. Wie sichern wir künftig Mobilität? Wo steht Deutschland in Sachen E-Mobilität? Lesen Sie heute, warum es für die Pedelecs noch ein weiter Weg bis zum Massenfahrzeug ist.

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