Berlin

Mehr Singlehaushalte: Wenn Einsamkeit krank macht

Von Gregor Mayntz
Nicht nur, aber gerade im Alter werden immer mehr Menschen krank, weil sie vereinsamen. Politiker und Ärzte fordern jetzt eine gesellschaftliche Debatte über das Thema und mehr Forschung durch Experten. Foto: dpa
Nicht nur, aber gerade im Alter werden immer mehr Menschen krank, weil sie vereinsamen. Politiker und Ärzte fordern jetzt eine gesellschaftliche Debatte über das Thema und mehr Forschung durch Experten. Foto: dpa

Mit der zunehmenden Zahl von Singlehaushalten steigt das Problem krank machender Einsamkeit in Deutschland. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hervor. Danach nahm die Einsamkeitsquote bei den 45- bis 84-Jährigen von 2011 bis 2017 um rund 15 Prozent zu, in einzelnen Altersgruppen sogar um 59 Prozent. So fühlten sich vor acht Jahren 5,1 Prozent der 65- bis 74-Jährigen einsam, zuletzt waren es bereits 8,1 Prozent. Probleme gibt es auch schon bei Jugendlichen. Jeder Vierte sagt, dass er sich manchmal oder selten einsam fühle, Mädchen häufiger als Jungen.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Die Entwicklung hat Folgen für die Gesundheit der Menschen. „Wer gut eingebunden ist in sein soziales Netz, ist nicht nur psychisch und körperlich gesünder, sondern lebt auch länger“, sagt die Psychotherapeutin Julia Scharnhorst vom Bundesverband der Psychologinnen und Psychologen. Sie sieht hier einen „lohnenden Bereich“ für Interventionen der Politik in eine bessere Vorbeugung. Vor allem ältere Menschen seien betroffen, wenn immer mehr aus ihrem Bekanntenkreis krank werden und sterben. Sie ruft insbesondere die Städte und Gemeinden auf, mehr soziale Treffpunkte zu schaffen. „Gesundheit wird definiert durch körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden“, unterstreicht Scharnhorst.

Unter Verweis auf eine umfassende Auswertung der wissenschaftlichen Forschung kommt auch die Bundesregierung in ihrer Antwort zu dem Ergebnis, dass „insbesondere soziale Isolation Auftreten und Verlauf chronischer Krankheiten ungünstig beeinflusst“ und mit erhöhter Sterblichkeit verbunden sei. Es zeigten sich Zusammenhänge für Bluthochdruck und andere wichtige Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen sowie psychische Erkrankungen (Depression und Angststörung) und Demenz. Zudem gebe es Zusammenhänge zwischen subjektiv empfundener Einsamkeit und dem Eintritt von Pflegebedürftigkeit.

Die Regierung verweist in ihrer Antwort auf das Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus, für das bis 2020 jährlich 17,5 Millionen Euro bereitstünden. Insgesamt gebe es in Deutschland rund 540 Mehrgenerationenhäuser, von denen rund 250 gezielte Angebote für einsame Menschen aus allen Altersgruppen machten. Die SPD hatte sich unlängst für die Schaffung eines Regierungsbeauftragten ausgesprochen, der sich gezielt um Einsamkeit und Einsamkeitsschäden in der Gesellschaft kümmern solle. „Bisher wurde die Zahl der Krankheiten, die durch Einsamkeit ausgelöst werden, unterschätzt“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Einsamkeit beeinträchtige die Lebensqualität der Betroffenen und führe zu hohen Kosten, da die Behandlung dieser Krankheiten teuer sei. „Wir brauchen einen Regierungsbeauftragten für Einsamkeit, wie es ihn bereits in Großbritannien gibt.“ Dort war 2018 ein Regierungsposten geschaffen worden.

„Wir brauchen eine Strategie zur Bekämpfung der Einsamkeit“, verlangte auch der FDP-Gesundheitsexperte Prof. Andrew Ullmann. Dazu gehörten innovative Wohn- und Mobilitätskonzepte sowie die Förderung von Gesundheitskompetenz. Dringend nötig sei nun eine Expertenkommission. Angesichts der Einsamkeitsentwicklung sieht die Kassenärztliche Bundesvereinigung voraus, dass „die Nachfrage nach medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Leistungen stark zunehmen wird“. Die Krankenkassen sollten anerkennen, dass perspektivisch die Budgets fallen müssten, um den stetig wachsenden Leistungsbedarf zu finanzieren.

Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz