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Lieg

Aus für die Grundschule Lieg: „Jetzt werden wir bissig“

Vergeblich war der Protest von Schülern, Eltern und Lehrern für den Erhalt der Grundschule Lieg. 
Vergeblich war der Protest von Schülern, Eltern und Lehrern für den Erhalt der Grundschule Lieg.  Foto: Ulrike Platten-Wirtz

Wut und Enttäuschung an der einen, Freude und Jubel an anderer Stelle – am Mittwochvormittag liegen zwischen diesen höchst gegensätzlichen Gefühlen nur rund 40 Autokilometer im Kreis Cochem-Zell. Nach wochenlanger Hängepartie hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier nun ihre Entscheidung bekannt gegeben: Die kleine Grundschule des Hunsrückdorfes Lieg (14 Schüler) soll zum Schuljahr 2018/2019 geschlossen werden. Die ebenfalls kleine Grundschule des Moseldorfes Pünderich (26 Schüler) bleibt bestehen, wenn auch unter verschärfter Beobachtung.

Lesezeit: 3 Minuten
Heinz Zilles ist aufgebracht. „Wir sind nicht nur stinksauer, nein, jetzt werden wir bissig“, wettert der Ortsbürgermeister des Hunsrückdorfes Lieg. Über den Schulträger der Grundschule, die Verbandsgemeinde (VG) Cochem, hat er erfahren, dass die ADD die Dorfschule schon zum nächsten Schuljahr schließen will. Ein Wochen und Monate währender Kampf von ...
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Aufgeben? Kommt nicht in die (Schul-)Tüte

Lieg. Mit einer Mischung aus Wut und Hoffnung schildert Ralf Lauxen die Situation. Allein die Tatsache, dass die Lieger Wendelinus-Grundschule von der Schließung bedroht ist, bereitet ihm schlaflose Nächte. Seit Monaten schon. Und er ist richtig sauer.

Das war am Dienstag so, als Lauxen im Redaktionsgespräch von seiner Arbeit als Elternbeiratsvorsitzender berichtete. Da hatte er schon eine Ahnung und auch Angst, dass es zum Äußersten kommen würde. Und seine Wut ist einen Tag später, als die Entscheidung dann tatsächlich gegen den Standort Lieg fällt, noch viel, viel schlimmer.

„Ich wäre total enttäuscht, aber ich würde dann auch den Glauben an die Politik verlieren“, das hatte Lauxen auf die Frage geantwortet, was denn das Schlimmste sein könnte, das passiert. Und jetzt: Lauxen ist stinksauer, traurig, betroffen. Und kämpferisch. Für den Abend schon war eine Versammlung in der Schule geplant. Aufgeben werden Lauxen und seine Mitstreiter jedenfalls nicht. Aber: Sein größter Wunsch, dass sein sechsjähriger Sohn zum neuen Schuljahr in Lieg eingeschult wird, wie vor einigen Jahren auch dessen Schwester, wird sich womöglich nicht mehr erfüllen.

Von Anfang an „war ich mir immer sicher, dass ich 90 Prozent der Elternschaft hinter mir habe“. Er kennt sie alle gut, die Eltern der zurzeit 14 Kinder aus Lieg, Lahr und Zilshausen, ebenso wie die Lehrerinnen. „Es ist fast wie eine Familie.“ Und Ortsbürgermeister Heinz Zilles ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Klare Kante. Seite an Seite haben die beiden zusammen mit anderen Eltern, sogar mit anderen Schulen gekämpft. Für den Schulstandort und noch viel mehr. „Es geht um unsere Kinder, die stehen absolut im Vordergrund“, sagt Ralf Lauxen. „Aber es geht um viel mehr, die Zukunft der Vereine, und letztlich auch um die Zukunft des Ortes.“ Lauxen sieht über den Tellerrand hinaus, kann deshalb die politische Entscheidung, kleine Schulen zu schließen, nicht nachvollziehen. „Was soll das, auf der einen Seite gibt es Dorferneuerungskonzepte, um die Region nicht ausbluten zu lassen, und dann schließt man Schulen. Welch ein Hohn.“

Ralf Lauxen hat als Junge selbst die Grundschule in Lieg besucht. Die Region zu verlassen, das war für den Hunsrücker nie eine Option. Der 42-jährige Bauingenieur und seine Frau haben sich bewusst dafür entschieden, in Lieg ein Haus für die Familie zu bauen. „Meine Frau kommt aus Zilshausen, dort hätten wir von den Schwiegereltern einen Bauplatz bekommen können, aber wir wollten nach Lieg.“ Einer der Hauptgründe damals: „Kindergarten und Schule sind von unserem Haus aus nur eine sehr kurze Strecke entfernt, die Kinder müssen noch nicht einmal eine Straße überqueren“, sagt Lauxen.

Er und seine Frau sind kein Einzelfall. Immer wieder ziehen Paare mit Kindern in den Ort – wegen genau dieser Gründe. Und mehr noch: ein intaktes Dorfleben, engagierte Vereine, Natur, soweit das Auge reicht. Lauxens mögen das Leben in dem Hunsrückort, sich zu engagieren, ist selbstverständlich. Ralf Lauxen käme nicht auf die Idee, das nicht zu tun. Er ist Vorsitzender des Musikvereins, unterstützt auch die Feuerwehr und den Chor. Gerade die Feuerwehr rekrutiert ihren Nachwuchs aus den Schülern, ist sehr engagiert, hat eine der aktivsten Jugendwehren im Hunsrück, arbeitet regelmäßig mit der Schule, ebenso wie der Musikverein.

Lauxen hält Heimatverbundenheit für wichtig. Und so war auch ganz klar, dass er sich in der Schule engagiert. Seine Tochter geht jetzt in die dritte Klasse. Als sie eingeschult wurde, haben sich er und seine Frau zum ersten Mal mit dem Thema Kombiklasse beschäftigt. Der Jahrgang seiner Tochter wurde mit Zweitklässlern zusammen unterrichtet.

„Ganz ehrlich, ich war sehr skeptisch, wie das laufen soll“, gibt Lauxen offen zu. Das Aha-Erlebnis ließ nicht lange auf sich warten. „Als ich dann ein paar Monate später meine eigentlich schüchterne Tochter erlebte, wie sie vor einer größeren Runde etwas vortrug, da war ich restlos überzeugt von dem Unterrichtsmodell“.

Es kam vieles zusammen, damit Lauxen sich zu diesem engagierten Kämpfer entwickelt hat. Und als im Januar 2017 die Nachricht die Runde machte, dass Lieg auf der viel zitierten Liste steht, gab es für ihn kein Halten mehr. Dass er einmal so viel Zeit und Energie in das Amt investieren würde, hatte er nicht vermutet. Er lacht. „Drei bis vier Sitzungen im Jahr, ein Schulfest, das war so meine grobe Vorstellung von dem Amt gewesen.“ Es sollte anders kommen, und es ist noch nicht vorbei. Mit lapidaren Antworten wird sich Lauxen, werden sich die Lieger, allen voran der Ortschef, nicht zufriedengeben.

Lauxen ärgert sich grundsätzlich über Null-Acht-Fünfzehn-Standardschreiben der Behörden. „Das ist doch im Grunde ein Zeichen dafür, dass sich niemand wirklich mit den Inhalten beschäftigt hat.“ Lauxen findet diese Vorgehensweise deshalb auch nicht eben respektvoll. „Ein Unding.“

Wenn man den Hunsrückern nachsagt, sie seien bisweilen etwas stur, ist Ralf Lauxen wohl ein sehr gutes Beispiel dafür. Aufgeben? Nein, jetzt erwartet er erst einmal glasklare Begründungen für diese Entscheidung.

Von unserer Redakteurin Petra Mix
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