Plus
Cochem-Zell

Die AfD im Kreis Cochem-Zell: Fährt die Partei einen Kuschelkurs im Kreistag?

Von Thomas Brost
Familiäre Fraktion: Die AfD ist aktuell mit Martin Fischer (links) und seinem Vater Alfred Fischer (vorn rechts) im Kreistag Cochem-Zell vertreten. Zwei Männer des früheren Kreisvorstandes gehören der Partei nicht mehr an: Willi Rademacher (hinten links) und Dr. Klaus-Werner Lay (Mitte).
Familiäre Fraktion: Die AfD ist aktuell mit Martin Fischer (links) und seinem Vater Alfred Fischer (vorn rechts) im Kreistag Cochem-Zell vertreten. Zwei Männer des früheren Kreisvorstandes gehören der Partei nicht mehr an: Willi Rademacher (hinten links) und Dr. Klaus-Werner Lay (Mitte). Foto: Archiv AfD

Als zahme Variante der Mutterpartei geben sich die beiden Vertreter der AfD im Cochem-Zeller Kreistag. Von völkischem Gedankengut oder stark rechtslastiger Rhetorik ist jedenfalls im beschaulichen Land zwischen Eifel, Mosel und Hunsrück nichts zu hören. Hat die Cochem-Zeller AfD Kreide gefressen?

Lesezeit: 2 Minuten
Mit dem Einzug des Studenten Martin Fischer und Dr. Klaus-Werner Lay, einem Zahnarzt, im Frühjahr 2014 waren zum ersten Mal zwei Mitglieder der Alternative für Deutschland in einem Cochem-Zeller Gremium vertreten. Auch wenn die AfD-Fraktion bis heute keinen einzigen Antrag gestellt hat, ist auffällig, dass sich Martin Fischer, der AfD-Kreischef, ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
  • 4 Wochen für nur 99 Cent testen
  • ab dem zweiten Monat 9,99 €
  • Zugriff auf alle Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
E-Paper und
  • 4 Wochen gratis testen
  • ab dem zweiten Monat 37,- €
  • Zugriff auf das E-Paper
  • Zugriff auf tausende Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
Bereits Abonnent?

Fragen? Wir helfen gerne weiter:
Telefonisch unter 0261/9836-2000 oder per E-Mail an: aboservice@rhein-zeitung.net

Oder finden Sie hier das passende Abo.

Anzeige

Wahlen: Moderate Ergebnisse im Kreis Cochem-Zell

Vor gut fünf Jahren als europaskeptische Partei gegründet, konnte die Alternative für Deutschland (AfD) ihren Wähleranteil auch im Land Rheinland-Pfalz bis hinein in die Kommunen kontinuierlich ausbauen. Spätestens mit der sogenannten Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 hat sich die AfD als politische Kraft etabliert. Hier eine Analyse der Entwicklung im Landkreis Cochem-Zell:

Bei Wahlen im Kreis Cochem-Zell kann die AfD nur moderate Ergebnisse erzielen. Ihre Vertreter im Kreistag haben Sendepause.
Bei Wahlen im Kreis Cochem-Zell kann die AfD nur moderate Ergebnisse erzielen. Ihre Vertreter im Kreistag haben Sendepause.
Foto: Archiv Christoph Bröder

Erstmals tritt die AfD zur Bundestagswahl 2013 an. 106.414 Wähler geben ihr in Rheinland-Pfalz die Zweitstimme, im Landesergebnis sind dies 4,8 Prozent, im Bund kommt die Partei auf 4,7 Prozent. Im Kreis Cochem-Zell bleibt sie mit 4 Prozent unter ihrem Landes- und Bundesergebnis.

Von großen Erfolgen kann auch bei den Kommunalwahlen im Jahr 2014 noch keine Rede sein. Landesweit kommt die AfD mit insgesamt 51.555 Wählern gerade mal auf 3 Prozent der Stimmen. 1508 Wahlberechtigte haben im Kreis Cochem-Zell für die AfD votiert. Mit 4,9 Prozent erringt die Partei allerdings zwei Sitze im Kreistag.

Bei ihrer ersten Europawahl erreicht die AfD ebenfalls 2014 in Rheinland-Pfalz rund 114.170 gültige Stimmen und kommt damit aus dem Stand auf einen Stimmenanteil von 6,7 Prozent, bleibt damit aber hinter ihrem Bundesergebnis von 7 Prozent zurück. Die Partei verbucht in den kreisfreien Städten etwas höhere Stimmenanteile als in den Landkreisen. Am meisten räumt sie mit 9,6 Prozent in Ludwigshafen und mit 8,5 Prozent im Rhein-Pfalz-Kreis ab. Aber auch im Taunus, im Westerwald und im Hunsrück kann sie gute Ergebnisse erringen. 6,8 Prozent (2128 Stimmen) sind es im Kreis Cochem-Zell.

Aus dem Stand heraus wird die AfD bei der Landtagswahl mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft im rheinland-pfälzischen Landtag. 268.628 Wählerstimmen bescheren ihr 14 Mandate. Im Landkreis Cochem-Zell muss sie sich jedoch mit einem einstelligen Resultat zufriedengeben: 9,5 Prozent sind es im Wahlkreis 15 Cochem-Zell. Weit unter dem Landesergebnis bleibt sie in vielen Verbandsgemeinden unserer Region, zum Beispiel in der VG Cochem mit 8 Prozent.

Bei der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag erreicht die AfD bundesweit 12,6 Prozent der Stimmen. In Rheinland-Pfalz entfallen auf sie 11,2 Prozent der gültigen Zweitstimmen. 265.688 Wähler haben für die Partei gestimmt, womit die AfD ihren Stimmenanteil gegenüber der letzten Bundestagswahl 2013 mehr als verdoppelt und sich um insgesamt 6,4 Prozentpunkte verbessert. In keinem der von uns analysierten Wahlkreise erreicht die AfD jedoch ihr Bundes- oder Landesergebnis. So sind es im Wahlkreis 200 Mosel/Rhein-Hunsrück 9 Prozent.

Im Landesschnitt kommt die AfD in den Landkreisen auf 11,2 Prozent. Im Kreis Cochem-Zell sind es jedoch nur 8,5 Prozent. Im Vergleich zu den Landtagswahlen ein Jahr zuvor muss die Partei in nahezu allen Städten und Verbandsgemeinden mehr oder weniger geringfügig Federn lassen. Im Kreis Cochem-Zell kommt sie in den Verbandsgemeinden auf folgende Ergebnisse: Cochem 7,4 Prozent, Kaisersesch 8,7 Prozent, Ulmen 9 Prozent und Zell 9,5 Prozent. ms

Umfrage: Ein Drittel der Anhänger will einen starken Führer

Region. Die rheinland-pfälzische AfD rudert zurück: Parteiausschlüsse und Abmahnungen kündigt Landesvorsitzender Uwe Junge (Kreis Mayen-Koblenz) an, wenn sich herausstellen sollte, dass Parteimitglieder gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen oder Neonazis machen. Ausgangspunkt für diese Äußerung ist die Tatsache, dass ein Auftritt des Landtagsabgeordneten Jens Ahnemüller, AfD-Kreisvorsitzender in Trier, zusammen mit Vertretern der rechtsextremen Identitären Bewegung bekannt geworden war. Ahnemüller ist mittlerweile aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen worden.

AfD-Rechtsaußen Björn Höcke wurde laut Wikipedia am 1. April 1972 im westfälischen Lünen geboren. Kurz nach seiner Geburt aber zog die Familie nach Neuwied, später ins benachbarte Anhausen. Der Vater war Sonderschullehrer an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte, die Mutter Krankenschwester und Altenpflegerin. Höcke besuchte zunächst die Grundschule in Anhausen, dann das Rhein-Wied-Gymnasium Neuwied. Der verbeamtete Gymnasiallehrer für Geschichte ist heute Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen und selbst in der eigenen Partei umstritten.
AfD-Rechtsaußen Björn Höcke wurde laut Wikipedia am 1. April 1972 im westfälischen Lünen geboren. Kurz nach seiner Geburt aber zog die Familie nach Neuwied, später ins benachbarte Anhausen. Der Vater war Sonderschullehrer an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte, die Mutter Krankenschwester und Altenpflegerin. Höcke besuchte zunächst die Grundschule in Anhausen, dann das Rhein-Wied-Gymnasium Neuwied. Der verbeamtete Gymnasiallehrer für Geschichte ist heute Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen und selbst in der eigenen Partei umstritten.
Foto: dpa

Prinzipiell hat die Partei schriftlich in einer Unvereinbarkeitsliste fixiert, mit wem sie nicht kooperieren will. Diese Aufstellung umfasst Hunderte von Parteien und Organisationen – von Linksradikalen und Islamisten bis hin zu rechtsradikalen Kameradschaften, Initiativen wie die Bürgerinitiative Pro NRW, rechtsextreme und gewaltbereite Netzwerke wie Blood & Honour, Skinheadgruppen, „Reichsbürger“ und auch die NPD.

Spätestens mit dem von der AfD in Chemnitz inszenierten Trauermarsch aber dürfte auch klar sein, dass die Sache so einfach nicht ist. Diesen nämlich nutzten unzählige Neonazis, Rechtsradikale und gewaltbereite Hooligans, um ihr unappetitliches Süppchen zu kochen. Dass nur ein paar Meter von Teilnehmer Uwe Junge, AfD-Fraktionsvorsitzender im Mainzer Landtag, auch der wegen Volksverhetzung verurteilte Pegida-Chef Lutz Bachmann mitmarschierte, brachte Junge in Zugzwang: Er habe keinen Einfluss darauf, wer neben ihm läuft, erklärte der Politiker. Und: Bachmann sei ein „Gewohnheitskrimineller“.

Nun ja, das bundesweit bekannte Gesicht des „Kriminellen“ war in der zweiten Reihe zu sehen, auf Fotos steht Bachmann schräg hinter dem thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke. Und den wiederum dürfte Uwe Junge, ebenfalls in der ersten Reihe dabei, durchaus im Blick gehabt haben ...

Rechtsradikalismus und AfD, diesen Zusammenhang hat jüngst das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von RTL/n-tv untersucht. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der AfD-Anhänger ist mit dem demokratischen System unzufrieden, knapp die Hälfte rechnet sich selbst zum rechten politischen Spektrum. Ein Drittel wünscht sich einen „starken Führer“ und etwa ein Viertel sieht im Nationalsozialismus durchaus auch „gute Seiten“.

Laut einer Studie der Universität Leipzig bewegt sich in der Bevölkerung der Anteil derer mit einer „manifest rechtsextremen Einstellung“ in den Jahren 2002 bis 2016 zwischen knapp 10 und etwas mehr als 5 Prozent. Wesentlich stärker verbreitet, zwischen mehr als 20 und knapp 27 Prozent, sei jedoch eine latente Ausländerfeindlichkeit – übrigens schon bevor Flüchtlinge zu Hunderttauenden ins Land kamen. So geben auch die meisten AfD-Anhänger gegenüber Forsa an, dass ihnen Zuwanderung Angst mache. Für 59 Prozent der AfD-Anhänger ist klar, dass die Deutschen „um ihr Land kämpfen müssen“, weil „Flüchtlinge Unruhe und Gewalt in unser Land“ bringen. Laut Forsa sind hingegen nur knapp 10 Prozent der Wähler ohne AfD-Präferenz dieser Meinung. Die deutlichen Unterschiede in den erfragten Meinungen von AfD-Anhängern und dem Gros der Wahlberechtigten quittiert Forsa-Chef Manfred Güllner mit der Bemerkung, es zeige sich, „dass die AfD keinesfalls, wie sie vorgibt, die Meinungen der Mehrheit des Volkes repräsentiert, sondern nur die einer Minderheit, die anfällig ist für fremdenfeindliches und völkisches Gedankengut“.

Nach der letzten Bundestagswahl waren laut den Erkenntnissen der Meinungsforscher von Infratest Dimap 86 Prozent aller Wähler der Ansicht, dass sich die AfD nicht genug von rechtsextremen Positionen distanziert. Was im Übrigen auch 55 Prozent der AfD-Anhänger selbst genauso sehen.

Entwickelt sich die AfD also zum Sammelbecken der extremen Rechten? Jedenfalls wandelt sie seit geraumer Zeit auf einem schmalen Grat, zumindest was einen starken Parteiflügel angeht, der von Björn Höcke repräsentiert wird. Den Politiker hat das dortige Landesamt für Verfassungsschutz samt seiner Landespartei nun zum Prüffall erklärt, quasi die Vorstufe einer möglichen Beobachtung. Höcke, der seine Reden öfter mit aus der NS-Zeit entlehnten Begriffen („Volksverderber, „tausendjähriges“ Deutschland) garniert und dem jüngst wieder persönliche Kontakte zu NPD-Leuten vorgeworfen werden, machte Schlagzeilen, als er offensichtlich unter Anspielung auf das Holocaustmahnmal in Berlin von einem „Denkmal der Schande“ gesprochen hatte. Das brachte ihm auch in der eigenen Partei Kritik und der AfD kurzzeitig einen Knick in der Wählergunst ein. Man darf mutmaßen, dass sich die politische Zukunft der AfD auch an der Gesinnung Höckes und der seiner Anhänger vom rechten Spektrum in der Partei entscheiden wird. Gefahr erkannt? Im Mainzer Landtag jedenfalls musste sich AfD-Chef Uwe Junge jüngst gefallen lassen, als „rechtsextrem“ tituliert zu werden. Und seinen Parteifreunden wie dem Koblenzer Joachim Paul und Damian Lohr wurden Verbindungen ins ultrarechte Milieu vorgeworfen. ms

Unter der Lupe: Die AfD in der Region
Meistgelesene Artikel