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Limburg/Hadamar

Morde an psychisch Kranken und geistig Behinderten in der NS-Zeit: Historiker hat Krankenmorde erforscht

Von Dieter Fluck
Die Initiatoren der Hadamarer Gespräche, Gedenkstättenleiter Dr. Eric Schulte (links) und Limburgs Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker (rechts), konnten zum ersten Vortrag 2019 den Historiker Robert Parzer begrüßen.  Foto: Fluck
Die Initiatoren der Hadamarer Gespräche, Gedenkstättenleiter Dr. Eric Schulte (links) und Limburgs Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker (rechts), konnten zum ersten Vortrag 2019 den Historiker Robert Parzer begrüßen. Foto: Fluck

Den „Euthanasie“-Morden der Nationalsozialisten sind regelrechte Probeläufe im von der Wehrmacht besetzten Polen vorausgegangen. Im Rahmen der „Hadamarer Gespräche“ hat der Historiker Robert Parzer über diese Zusammenhänge jetzt in Limburg berichtet.

Lesezeit: 3 Minuten
Vom Januar 1941 bis zum 31. Juli 1942 wurden im Psychiatrischen Krankenhaus in Hadamar 10.072 Menschen in einer als Dusche getarnten Gaskammer ermordet. Diese Morde waren ein Teil der Aktion T 4, bei der insgesamt 70.273 psychisch kranke und geistig Behinderte in sechs Tötungseinrichtungen in Deutschland umgebracht wurden. Was damals hierzulande ...
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Erinnern statt zu verharmlosen

Limburg. 189 Limburger sind den Nationalsozialisten und ihrem Regime zum Opfer gefallen, wurden ermordet, gefoltert, verfolgt, in den Tod getrieben. 141 von ihnen gehörten der jüdischen Gemeinde an: Am internationalen Holocaustgedenktag ist den Opfern in einer gemeinsamen Veranstaltung von Stadt, jüdischer Gemeinde und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit auf dem jüdischen Friedhof in Limburg gedacht worden.

Erinnern, das sei ein Schlüsselbegriff, wenn es darum geht, grauenvolle Ereignisse in der Geschichte nicht zu wiederholen. Zum Erinnern gehöre auch eine Auseinandersetzung mit dem, was gewesen ist, wie es zu sechs Millionen jüdischen Opfern und noch vielen Millionen weiterer Opfer kommen konnte. Elena Kopirowskaja als Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Limburg verwies auf diese engen Zusammenhänge. Die stete Erinnerung an alle Opfer der Nationalsozialisten sei wichtig, um Wiederholungen zu vermeiden. Allerdings bemerkt sie aktuell auch eine vielfache Verharmlosung des millionenfachen Leids, das einer Verhöhnung der Opfer gleichkomme. „,Nie wieder‘ darf kein leeres Versprechen sein“, zitierte Rabbiner Shimon Großberg die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. Nie wieder dürfe sich etwas ereignen, für das Auschwitz stehe, Rassenwahn und industrieller Massenmord. Eingebettet in ein Gebet verlas der Rabbiner die Namen der jüdischen Opfer aus Limburg. Jörg Rücker, im Ruhestand befindlicher Pfarrer der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirche, verlas vor den Anwesenden, unter ihnen Vertreter der Limburger Stadtpolitik und der christlichen Kirchen, die Namen der Limburger Opfer, die nicht der jüdischen Gemeinde angehörten. 48 Opfer aus der Stadt und den Stadtteilen, deren politische Überzeugung nicht mit denen der Nazis übereinstimmte oder die gesundheitlich beeinträchtigt waren, sind bisher bekannt. Unter ihnen sind auch einige, die sich für das Wohl der Limburger Bürger auf politischer Ebene eingesetzt haben.

Bürgermeister Marius Hahn (SPD) erinnerte an elf Männer, die sich vor 1933 als Stadtverordnete engagierten oder bei den Wahlen kandidiert hatten. Am 2. März jährt sich zum 100. Mal der Jahrestag, an dem zu ersten Mal in Limburg eine Stadtverordnetenversammlung nach demokratischen Grundsätzen von Frauen und Männern bestimmt wurde. Von den elf politisch aktiven Männern, darunter auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde, wurden fünf ermordet. Die sechs anderen saßen mehrmals im Gefängnis oder im KZ, gingen ins Exil. „Jedem Versuch der Verharmlosung oder Relativierung des nationalsozialistischen Terrors müssen wir entgegentreten“, machte Hahn deutlich.

Stadtarchivar Christoph Waldecker verdeutlichte mit der Schilderung von zwei Familienschicksalen aus Limburg, dass die neuen Machthaber schon frühzeitig gezielt damit begonnen hatten, gegen jüdische Bürger vorzugehen. Ein Boykott gegen die damals größte Metzgerei in Limburg habe schon 1934 eingesetzt und sei zunächst von SA-Männern und später von der SS begleitet worden. Wer in dem jüdischen Geschäft weiter einkaufte, wurde beschimpft und bedroht. Schnell sei die jüdische Familie daher in wirtschaftliche Probleme geraten.

„Ich bin froh, dass es inzwischen gemeinsame Gedenktage in Limburg gibt“, sagte Christa Pullmann als Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Das sei der richtige Weg. Sie erinnerte auch daran, dass es auch abseits der Vernichtungslager grauenvolles Leid und tausendfachen Mord an jüdischen Bürgern gegeben habe, an vielen Orten. Nachkommen einiger dieser Opfer hätten inzwischen in Limburg eine neue Heimat gefunden. Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung luden die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und die Stadt Limburg zum Besuch des Films „Schindlers Liste“ ins Kino ein.