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Ulmen

Diensthunde der Bundeswehr: Helden auf vier Pfoten

Von Marta Fröhlich
An einem 25 Meter hohen Turm in der Eifel üben die Soldaten das Abseilen im Team.
An einem 25 Meter hohen Turm in der Eifel üben die Soldaten das Abseilen im Team. Foto: Christoph Bröder

Seit Jahrtausenden geht der Hund Seite an Seite mit dem Menschen. Als treuer Freund und Begleiter, aber auch als mutiger Beschützer. Heute leben allein in Deutschland 7,9 Millionen Hunde – die meisten von ihnen echte Couchfans und Kuschelpartner. Sie pendeln zwischen Spaziergang und Futternapf, ihr Job ist es, sich kraulen zu lassen und ihre Familie zu unterhalten.

Lesezeit: 7 Minuten
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Ganz anders die Diensthunde der Bundeswehr. Sie dienen wie ihre Herrchen der Bundesrepublik Deutschland, spüren Bomben und Drogen auf, stellen Terroristen und beschützen ihre Truppe. Ausgebildet werden die mutigen Vierbeiner in der Schule für Diensthundewesen in Ulmen (Kreis Cochem-Zell). Im rauen Klima der Eifel stellen sie sich ihren Aufgaben, trotzen Wind und Wetter, lernen Seite an Seite mit ihrem Führer, auch in brenzligen Situationen kühlen Kopf zu bewahren. Nur die stärksten Helden auf vier Pfoten sind einem Auslandseinsatz gewachsen.

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Die Gräfin-von Maltzan-Kaserne in Ulmen beheimatet seit 59 Jahren die Schule für Diensthundewesen. Aktuell werden dort 40 Hund-Soldat-Teams ausgebildet, insgesamt sind europaweit rund 280 Teams im Einsatz. Rund zwei Jahre braucht es, bis ein Team voll ausgebildet ist. Dann können Mensch und Hund gemeinsam in den Einsatz, kehren jedoch immer wieder in die Kaserne zur Auffrischung und zum Training zurück.

Schon in der Zucht trennt sich die Spreu vom Weizen. Allein kerngesunde Welpen kommen in die engere Auswahl. „Etwa 50 Prozent unserer Hunde werden von Züchtern angekauft, 50 Prozent kommen aus eigener Zucht. Wir züchten hauptsächlich Malinois, also belgische Schäferhunde“, erklärt Daniel Jannett. Der 42-Jährige ist Ausbilder in der Schule für Diensthundewesen und wählt selbst aus, welche Tiere in die Ausbildung kommen.

Nach einer zweijährigen Ausbildung sind die Malinois Profis im Schnüffeln, aber auch im Beschützen ihres Herrchens.
Nach einer zweijährigen Ausbildung sind die Malinois Profis im Schnüffeln, aber auch im Beschützen ihres Herrchens.
Foto: Christoph Bröder

„Früher führte die Bundeswehr zum großen Teil deutsche Schäferhunde. Doch da kommen mittlerweile zu oft Krankheiten wie Hüftdysplasien vor“, weiß der Stabsfeldwebel. Die Welpen werden schon früh genau überprüft. Stimmt die genetische Linie? Ist der Knochenbau robust und gesund? Wer den Test nicht besteht, wird privat vermittelt; jene, die bestehen und einen guten Eindruck machen, kommen in die engere Auswahl.

Die Nachwuchshelden werden in der Schule sozialisiert und auf ein stabiles Wesen geprüft. Der Hund muss zum Beispiel schussfest sein, also lauten Knall oder Erschütterungen gut aushalten können. Nach 14 Monaten wird es spannend. Denn die Teamzusammenführung steht bevor. „Wir bedienen verschiedene Aufgabengebiete. Truppen aus ganz Deutschland und den befreundeten Nachbarstaaten wie den Niederlanden oder Belgien melden konkreten Bedarf an – zum Beispiel einen Sprengstoff- und Rauschgiftspürhund für einen Feldjäger“, berichtet Jannett. Zuvor hat sich ein Soldat – ob mit oder ohne Hundeerfahrung – als möglicher Führer in seiner Truppe gemeldet und wird nun zehn Monate lang einen Lehrgang mit dem für ihn vorgesehenen Vierbeiner absolvieren.

An einem 25 Meter hohen Turm in der Eifel üben die Soldaten das Abseilen im Team.
An einem 25 Meter hohen Turm in der Eifel üben die Soldaten das Abseilen im Team.
Foto: Christoph Bröder

Einer dieser Hunde ist Xawi. Der 20 Monate alte Malinois-Rüde scharrt schon in seiner Box mit den Pfoten. Wenn es nach ihm ginge, könnte es endlich losgehen. Einer von bis zu 15 Übungssuchläufen steht an, und Xawi ist heute gut drauf. Sein Herrchen, ein Soldat eines niederländischen Sondereinsatzkommandos, reißt endlich die Tür des Kleintransporters auf, lässt Xawi gehorsam absitzen, greift zur Leine und führt ihn ruhig an den Eingang des Übungsbunkers. Dort haben Jannett und seine Truppe ein absolutes Chaos veranstaltet. In insgesamt 40 Bunkern des ehemaligen Munitionslagers in der Eifel haben sie sogenannte Szenarien aufgebaut. Trümmer von Möbeln, alte Sofas und Fernseher, Kisten und Büroschränke mit Dutzenden Fächern stehen im Weg herum. „Wir simulieren hier verschiedene Suchszenarien. Das bereitet die Hunde auf den Ernstfall vor“, weiß Jannett. Und Xawi weiß schon, was zu tun ist. Noch führt ihn sein Herrchen zwischen den Beinen in die Mitte des Raumes, der Hund setzt sich trippelnd ab, stets in engem Körperkontakt zu seinem Partner, bis dieser ihm mit einer Handbewegung die Richtung weist.

Die Hunde werden unter anderem mit Geruchsproben zu professionellen Spürnasen und Beschützern ausgebildet.
Die Hunde werden unter anderem mit Geruchsproben zu professionellen Spürnasen und Beschützern ausgebildet.
Foto: Christoph Bröder

Die Aufgaben der Bundeswehrdiensthunde sind vielfältig. Unter anderem werden in Ulmen Diensthunde der Objektschutzkräfte der Luftwaffe sowie der Division Schnelle Kräfte, Kampfmittel- und Minenspürhunde der Pionieretruppe, Sprengstoff- und Rauschmittelspürhunde der Feldjägertruppe, Zugriffshunde des Kommandos Spezialkräfte sowie Begleithunde für den Sozialdienst ausgebildet.

Irgendwo hier in diesem Trümmerfeld von Mobiliar hat Ausbilder Jannett zuvor die Duftprobe eines Sprengstoffs versteckt. Die Rute stramm von sich gestreckt, die Ohren spitz aufgestellt, schnuppert Xawi aufgeregt an den Schränken entlang, saugt die Luft durch seine 255 Millionen Riechzellen. Der Mensch kann da mit seinen 20 Millionen nicht mithalten. Die Zuschauer im Raum interessieren ihn nicht. Er hat gelernt, auf Kommando nach trainierten Düften zu suchen. Hektisch läuft er plötzlich vor einem der Büroschränke auf und ab, schaut zu seinem Führer, tritt einen Schritt zurück und setzt sich. Ein Click ist aus der Hand Jannetts zu hören – Volltreffer! „Der Hund hat gelernt, sich ruhig hinzusetzen und nicht an dem Fund zu kratzen. Das kann in Gefahrensituationen lebenswichtig sein“, weiß der Ausbilder.

Stabsfeldwebel Daniel Jannett bildet die Hunde zu professionellen Spürnasen und Beschützern aus.
Stabsfeldwebel Daniel Jannett bildet die Hunde zu professionellen Spürnasen und Beschützern aus.
Foto: Christoph Bröder

Jannett fischt das gesuchte Plastikröhrchen aus der Schublade, doch der aufgeregte Rüde hat nur noch Augen für seinen Partner. Der hat schon eine dicke Beißwurst aus der Hosentasche gezogen und animiert den Hund zum Spielen. Er weiß, wie wichtig diese Motivation für den Hund ist. „Die machen hier alles aus Spaß. Ich kann Xawi zu nichts zwingen. Er sucht, um dann zu spielen“, weiß der Spezialsoldat.

Er und Xawi sind schon zu einem guten Team zusammengewachsen, seit sie sich vor etwa einem halben Jahr kennengelernt haben. Denn der Rüde ist Teil der Familie. Sobald ein Mensch-Hund-Team zusammengeführt wurde, lebt der Hund bei seinem Herrchen. Das war noch vor zehn Jahren anders. Damals bildete die Bundeswehr noch hauptsächlich Hunde für den Wachdienst aus, die aufgrund ihrer Aggressivität in Zwingern auf dem Hundeschulgelände untergebracht waren. Heute stehen eine feste Bindung und Vertrauen zwischen Hund und Herrchen im Vordergrund. „Der Soldat muss sich voll auf seinen Vierbeiner verlassen. Da ist eine enge Bindung extrem wichtig“, findet Jannett.

Der Hund tritt etwa mit 14 Monaten seinen Dienst mit seinem Führer an, bleibt stets Eigentum der Bundeswehr und wird in der eigenen Veterinärklinik in Ulmen mit Impfungen sowie bei Verwundungen oder Krankheiten versorgt. Nach im Durchschnitt acht Jahren darf er in den Ruhestand treten, bleibt jedoch bis zum Ende bei seinem Führer. Der Soldat kann so auch mehrere Diensthunde bei sich haben.

Vor allem, weil die Ulmener Hunde eine zweigleisige Ausbildung erhalten. Neben dem Aufspüren von Sprengstoffen werden sie nämlich auch für den Zugriffsdienst geschult. Die landläufig als Schutzhundeausbildung bezeichnete Spezialisierung ermöglicht es dem Hund, auf Kommando eine fremde Person zu stellen und notfalls auch zuzubeißen. „Das ist das Besondere hier an unserem Standort, dass wir die Hunde in beiden Diensten trainieren“, betont Jannett. Und das stellt auch an die Vierbeiner besondere Anforderungen. Denn auf der einen Seite sollen sie, wenn sie nach Sprengstoff suchen, Menschen schlicht ignorieren und auf den Suchauftrag fokussiert sein. Zum anderen jedoch müssen sie auf Kommando blitzschnell umschalten können, um Aggression gegenüber einem Fremden zu zeigen.

An einem 25 Meter hohen Turm in der Eifel üben die Soldaten das Abseilen im Team.
An einem 25 Meter hohen Turm in der Eifel üben die Soldaten das Abseilen im Team.
Foto: Christoph Bröder

„Wenn wir mit einem Trupp durch eine Gruppe von Menschen laufen und mich einer angreift, dann soll der Hund auch zupacken und mich schützen. Ich habe mehrere Waffen im Einsatz dabei. Eine davon ist eben der Hund“, sagt der Spezialsoldat aus den Niederlanden zugespitzt. Deshalb sei die Arbeit mit einem Hund so spannend, aber auch so verantwortungsvoll.
Hund und Führer müssen sich voll und ganz aufeinander verlassen, denn Extremsituationen wie diese sind in Auslandseinsätzen nicht selten. Auch das Überwinden räumlicher Grenzen gehört dazu – zum Beispiel um ein Einsatzgebiet überhaupt erreichen zu können. Wenn das Gelände es nicht erlaubt oder es zu gefährlich ist, mit einem Trupp hineinzufahren, seilen sich die Soldaten samt ihren Hunden schon mal aus einem Helikopter oder von einer steilen Klippe ab. Und auch das muss trainiert sein.

Stolz lässt sich Schäferhundrüde Xawi von seinem Herrchen kraulen, nachdem er sich tapfer hat abseilen lassen. Abenteuer wie diese schweißen ein Hund-Mensch-Team noch enger zusammen.
Stolz lässt sich Schäferhundrüde Xawi von seinem Herrchen kraulen, nachdem er sich tapfer hat abseilen lassen. Abenteuer wie diese schweißen ein Hund-Mensch-Team noch enger zusammen.
Foto: Christoph Bröder

Deshalb hat Xawi heute noch ein großes Abenteuer vor sich. Der Regen peitscht an die Holzwände des 25 Meter hohen Aussichtsturms, den sich die Truppe um Ausbilder Jannett heute ausgesucht hat. Die Eifel versinkt im Nebel, während die Männer Haken und Seile die glitschigen Treppen hinaufschleppen. Das gemeinsame Abseilen steht noch auf dem Programm. Peinlich genau achtet der Stabsfeldwebel darauf, dass seine Jungs beim Geschirranlegen keine Fehler machen. Dann sind die Vierbeiner dran.
Sicherheitsgeschirr und Maulkorb gehören zur Grundausrüstung eines jeden Hundeführers. „Der Maulkorb ist eine Vorsichtsmaßnahme, falls der Hund doch mal Panik bekommt und nach seinem Führer schnappt. Aber das kommt selten bis nie vor“, weiß der Ausbilder und hilft einem seiner Männer übers Geländer. Abgestützt am regennassen Gebälk, wird der Hund seitlich an einem Karabiner befestigt, ein kurzer Ruck, und schon hängt auch Xawi mit allen vieren in der Luft.

Ein Spiel mit seinem Herrchen ist für Rüde Andreo die beste Belohnung für seinen Einsatz.
Ein Spiel mit seinem Herrchen ist für Rüde Andreo die beste Belohnung für seinen Einsatz.
Foto: Christoph Bröder

Erstaunlich ruhig baumelt der rund 40 Kilo schwere Rüde in seinem Geschirr, zieht die Beine an und lässt die Rute hängen. „Sobald die Hunde in der Luft sind, geht das ganz gut. Deswegen ist ein runder, rascher Ablauf wichtig.“ Meter um Meter nähern sich Hund und Herrchen dem Boden, während der eisig kalte Eifelwind sie leicht hin und her schaukelt. Kurz vor dem Boden spannt sich Xawi an, zappelt am Geschirr, ein leichtes Tätscheln seines Partners hält ihn ruhig – die Landung fällt routiniert aus, das obligatorische Belohnungsspielchen dafür umso euphorischer. Xawi und sein Partner sind Profis. Es war nicht das erste Mal für sie. Und wahrscheinlich auch nicht das letzte. Auf Xawi wartet schon bald ein Auslandseinsatz. Wo genau, das bleibt geheim. Nur eine weiche Couch wird er dort wahrscheinlich nicht finden. Marta Fröhlich

Selbstversuch: Wenn sich die Hündin im Arm verbeißt

RZ-Reporter Christoph Bröder hat den Selbstversuch gewagt. Eingepackt in einen Beißanzug hat er sich von einer scharf gemachten Hündin angreifen lassen.

Gerade noch blicke ich in freudig strahlende Hundeaugen, streichele die Hündin am Kopf und im Nacken, lasse mir auch fast von ihr das Gesicht ablecken. Ein Tier, wie ich es abends bereitwillig mit auf die Couch lassen würde.

Wenige Minuten später steht dieselbe Hündin direkt vor mir, fletscht die Zähne und bellt lautstark. Jetzt ist etwas völlig anderes in ihren Augen zu sehen: Aggression. Einige Sekunden reagiere ich gar nicht, bin wie erstarrt. Die Hündin bleibt regungslos vor mir sitzen und bellt weiter. Dann strecke ich, auf Anweisung einer der umstehenden Soldaten, den rechten Arm nach vorn. Sofort packt die Hündin zu, verbeißt sich in meinem Arm.

Ich trage einen Beißanzug, dennoch spüre ich den Biss der Hündin sehr deutlich. Sie zerrt wild knurrend an mir. Adrenalin schießt durch meinen Körper. Ich bilde mir sogar ein, dass die Zähne durch das dicke Polster hindurchdringen. Die umstehenden Soldaten lachen und schütteln den Kopf, verneinen das. Das könne gar nicht sein, ich solle Vertrauen ins Material haben. Und doch wird später ein kleiner blauer Fleck an der Bissstelle zu sehen sein. Nicht weiter schlimm, Schmerzen habe ich keine. Und das war die Erfahrung allemal wert.

Aufgeweckt und stark im Wesen sollen sie sein, die Malinois, die in der Ulmener Schule für Diensthundewesen in die Lehre gehen.
Aufgeweckt und stark im Wesen sollen sie sein, die Malinois, die in der Ulmener Schule für Diensthundewesen in die Lehre gehen.
Foto: Christoph Bröder
In keiner anderen Situation an diesem Tag in der Diensthundeschule der Bundeswehr in Ulmen wird für mich deutlicher, dass zwei Wesen in den Hunden schlummern. Um den Schalter im Kopf der Tiere umzulegen, bedarf es lediglich eines kurzen Kommandos des Hundeführers. Vom Hund als Waffe ist an diesem Tag immer mal wieder von verschiedenen Soldaten die Rede, die uns begegnen. Spätestens nach dieser Erfahrung im Beißanzug kann ich nachvollziehen, wie das gemeint ist. Christoph Bröder
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