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Ein Meister des Humors: Comiczeichner Ralph Ruthe im Interview

Von Michael Defrancesco
Ralph Ruthe spricht im aktuellen Disneyfilm „Chaos im Netz“ einen Auktionator. Privat ist er eher nicht der Ebay-Typ, der gern Dinge ersteigert, erzählt er uns im Interview. Fotos: Disney
Ralph Ruthe spricht im aktuellen Disneyfilm „Chaos im Netz“ einen Auktionator. Privat ist er eher nicht der Ebay-Typ, der gern Dinge ersteigert, erzählt er uns im Interview. Fotos: Disney Foto: ©Disney/Kurt Krieger

Viele kennen Ralph Ruthe dank seiner unverwechselbaren, schwarzhumorigen Cartoons. Der gebürtige Bielefelder ist aber auch live auf den Bühnen des Landes unterwegs, dreht Videos – und er ist ein gefragter Synchronsprecher. Zum Beispiel ist er im aktuellen Disneyfilm „Chaos im Netz“ zu hören. Chaos – das scheint zu Ruthe zu passen.

Lesezeit: 5 Minuten
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Sie sprechen eine Figur im aktuellen Disneyfilm „Chaos im Netz“ – der Film spielt in den Tiefen des Internets. Haben Sie als Cartoonzeichner Angst vor dem Internet?

(lacht) Nein. Ich sehe mich selbst im Übrigen gar nicht in erster Linie als Zeichner, ich mache unter anderem auch Humor mit Zeichnungen. In erster Linie sehe ich mich als Komiker, als Mensch, der andere zum Lachen bringt. Und das mache ich mittels Videos, in meinen Liveshows – und eben auch mit Cartoons. Ich bespiele alle Medien und finde insofern das Internet super, weil ich es nutzen kann, um das, was ich mache, auszusenden. Damit kann ich mir wunderbar neue Follower beschaffen. Ich habe die Chance, meinen Humor unter die Leute zu bringen, ohne dafür einen Fernsehsender oder eine Redaktion zu brauchen. Mittels Internet kann ich alles einfach selbst nach draußen stellen, was ich selbst persönlich lustig und unterhaltsam finde.

Das heißt, Sie würden sich nicht wie Ralph im Film fühlen, der vom Internet ein wenig überfordert ist?

Nein, ich nutze das Internet schon sehr, sehr lange und habe schon früh dessen Vorzüge erkannt. Seit 1999 habe ich meine eigene Internetseite, 2006 habe ich, als YouTube groß wurde, sofort einen Kanal dort eingerichtet und Videos hochgeladen, und bei Social Media war ich auch relativ früh mit dabei. Von daher weiß ich, was mich im Internet interessiert und was ich nutzen möchte. Bereiche wie das Darknet meide ich persönlich einfach. Es gibt ja auch in der realen Welt Ecken, durch die man nicht unbedingt spaziert.

Sie lieben schwarzen Humor. Wie schwarz darf Humor für Sie sein?

Humor ist wie „Lecker!“ – das ist für jeden subjektiv und nicht allgemeingültig. Was lustig ist und was nicht, das definiert jeder anders. Für mich ist immer entscheidend: Passt das zu mir? Kann ich selbst drüber lachen? Juristisch gesprochen, ist es in Deutschland ganz klar geregelt, worüber man Witze machen darf und worüber nicht: Man darf einfach keine Gesetze brechen. Solange ich das nicht tue, ist alles in Ordnung. Ich darf nur nicht erwarten, dass andere Menschen das auch komisch finden, was ich mache – das ist alles. Aber das ist auch ganz normal! Wenn man mit Humor arbeitet, wird man immer Leute finden, die sagen „Das darf man aber nicht!“ oder „Das finde ich persönlich verletzend“. Aber das ist eben so. Jeder hat seine persönlichen Grenzen, und damit muss ich leben. Wenn jemand Musik hört, die ich persönlich bescheuert finde, kann ich ja auch nicht zu ihm hingehen und ihm das verbieten. Humor ist einfach nur Geschmackssache, und solange keine geltenden Gesetze gebrochen werden, darf ich Witze machen, worüber ich möchte. Ich wähle da einfach nach meinem persönlichen Geschmack aus.

Wie haben Sie Ihren Humor entwickelt? Sie haben zum Beispiel auch für „MAD“ gearbeitet. Wurde Ihr Humor erwachsener im Lauf der Jahre, oder sind Sie immer noch der Anarcho von früher?

(lacht) Alles im Leben ist ein Prozess. Mein Zeichenstil zum Beispiel ist noch lange nicht fertig, da ist noch viel in Bewegung – ich weiß nicht, wie das alles in zehn Jahren aussehen wird. Da gibt es auch keinen Plan – alles entwickelt sich bei mir, während ich es mache. Das ist ähnlich wie beim Musikmachen – da wird man im Idealfall auch von Jahr zu Jahr besser, aber man weiß nicht im Voraus, ob man im nächsten Jahr Free Jazz macht oder beim Hip-Hop landet. Ich würde für meine weitere Entwicklung erst einmal nichts ausschließen. Ich habe übrigens nie definiert, wie mein Humor sein soll. Die Zeit bei „MAD“ ist gar nicht so repräsentativ für meinen Humor. Das war 1999, als ich dort angefangen habe, also in der Vor-Internet-Zeit. Damals suchte ich als Cartoonist nach Wegen, um meine Sachen zu veröffentlichen. Es war super, dass es „MAD“ gab, so konnte ich mir ein Publikum erarbeiten. Allerdings hatte ich dort eine Redaktion, und die schrieb mir eine gewisse Tonart und einen gewissen Humor vor. Ich fand längst nicht alles gut, was die gut fanden, und ich musste schon auch dafür kämpfen, dass ich das vertreten konnte, was ich persönlich auch lustig finde. Das hat letzten Endes dann dazu geführt, dass ich mich von denen getrennt habe. Im Freundschaftlichen – aber es passte nicht mehr.

Sie sind inzwischen verheiratet und Vater – werden Sie spießig?

Ich glaube, ich war schon immer spießig. Ich habe nie offensiv versucht, mit meiner Arbeit zu provozieren – obwohl ich das offensichtlich tue. Aber das war nicht mein Ziel! Ich fand es schon immer nett, mit einem Dach über dem Kopf zu leben, und ich mache in der Regel nicht morgens um 11 ein Dosenbier auf. Wenn das Parameter dafür sind, ob man ein Spießer ist, dann bin ich auf jeden Fall ein Spießer. Ich richte mich aber nicht nach diesen Begrifflichkeiten. Ich hatte Freunde in der Schule, die waren knackige Punks – und jetzt leben sie in einem Reihenhaus. Da denke ich schon: „Aha, das war damals also eine Phase bei dir, so ein pubertäres Auflehnen.“ Ich habe oft erlebt, dass Menschen, die in der Jugend so richtig aufgedreht haben, damals schon tief in ihrem Herzen wussten, dass sie einmal in einem Reihenendhaus landen würden. Deshalb haben sie in der Jugend alles aus dem Leben herausgeholt, was nur geht. Mein Beruf ist glücklicherweise so, dass ich mich komplett ausleben kann, meine Fantasien, meinen Humor. Ich darf im Beruf albern sein – ich brauche sonst nicht über die Stränge zu schlagen. Was das aus mir macht, ob das spießig ist oder nicht, das sollen andere beurteilen.

Das klingt doch danach, als ob Ralph Ruthe mal intensiver mit Disney zusammenarbeiten könnte, nicht nur als Synchronsprecher. Vielleicht dürfen Sie für Disney mal etwas zeichnen?

(lacht) Auf gar keinen Fall! Ich weiß, dass die meisten Leute mich über meine Cartoons kennen, aber von allem, was ich mache, würde ich mir das Zeichnen gern komplett abnehmen lassen. Ich liebe es, mir Geschichten auszudenken, mir Gags einfallen zu lassen und Charaktere zu erschaffen – das macht mir irrsinnig Spaß. Wenn jetzt jemand von Disney käme und sagen würde: „Ruthe, du denkst dir die Geschichte und das Drehbuch aus, und wir zeichnen das für dich“, dann würde man mir damit eine Freude machen. Da würde ich schwach werden. Aber das mache ich jetzt erst einmal für meinen eigenen Film.

Oh!

Ja.

Erzählen Sie!

(grinst) Da gibt es noch gar nicht so viel zu erzählen, außer dass er kommen wird. Bei mir hat sich eine Filmproduktionsfirma aus München gemeldet, und wir hatten gute Gespräche. Ähnliche Gespräche gab es schon öfter, aber bislang hat es nie gepasst. Diesmal denke ich: „Doch, das könnte etwas werden.“ Das Team ist gut, das Team versteht mich und was ich möchte. Aber in diesem Jahr habe ich jetzt erst einmal eine neue Livetour und deshalb wenig Zeit. Ich muss die Tour vorbereiten, und danach bin ich auf Tour. Da komme ich zu nichts anderem, nur noch zum Vatersein und zum Etwas-nebenbei-im-Internet-Machen. Aber 2020 sieht es gut aus. Aber bis der Film dann wirklich kommt, wird es mindestens 2022 oder 2023.

Dann hoffen wir mal, dass Sie weiterhin bei guter Gesundheit bleiben und dass nicht Gevatter Tod wie in Ihren Cartoons irgendwann mit Kapuze und Sense neben Ihnen steht.

(lacht) Hallo? Das hoffe ich auch. Ich hoffe mal, dass ich – wenn es denn soweit ist – einfach friedlich von dieser Welt abtreten darf, und ich denke, dass danach nichts mehr kommt. Ehrlich gesagt denke ich da aber nicht so oft drüber nach. Ich bin noch relativ frisch Papa, und da gilt das Hier und Jetzt und das Dableiben für mich. Und ich möchte, dass dies noch möglichst lange so bleibt. Bis dahin lachen wir lieber gemeinsam über Gevatter Tod, der mit Kapuze und Sense vorbeischaut und einen Spruch macht.

Michael Defrancesco

Zur Person

Ralph Ruthe wurde 1972 in Bielefeld geboren. Während seiner Realschulzeit suchte er Kontakt zu deutschsprachigen Comiczeitschriften und konnte bald schon erste Zeichnungen einreichen.

Nach seinem Fachabitur absolvierte er eine Ausbildung zum Schriftsetzer und arbeitete als Texter für die Honk-Studios, bei denen er unter anderem Texte für Käpt’n Blaubär schrieb. 1999 kam er zum Magazin „MAD“. Heute ist er insbesondere durch seine Cartoons „Shit happens“ sowie durch Videos auf YouTube bekannt. Am 9. November ist er mit seinem Liveprogramm in Siegen zu Gast. Infos: www.ruthe.de

„Chaos im Netz“ erzählt die Geschichte von Ralph und Vanellope, die im Internet nach einem Ersatzteil für das Videospiel „Sugar Rush“ suchen und dabei Chaos anrichten

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