Anwalt kritisiert Staatsanwaltschaft: „Die Anklage ist ziemlich wirr“

Anwalt Sylvain Lermen
Anwalt Sylvain Lermen Foto: privat

Die Anklageschrift des wohl längsten Neonaziprozesses in der Geschichte von Rheinland-Pfalz zählt 926 Seiten – aber aus Sicht des Koblenzer Anwaltes Sylvain Lermen (41) ist sie lückenhaft und ziemlich wirr: „Sie wurde in wenigen Monaten mit ganz heißer Nadel gestrickt.“

Lesezeit: 1 Minute
Anzeige

So begründet Lermen seine Kritik: Am 19. Februar 2011 kam es in Dresden am Rande einer Demonstration zum Gedenken an die Bombardierung der Stadt im Februar 1945 zu Krawallen vor der linken Wohngemeinschaft „Praxis“. Einer der Hauptvorwürfe der Anklage lautet, dass eine Gruppe von rund 150 Neonazis die „Praxis“ angriff, Steine warf und Scheiben zerschlug. Zu der Gruppe gehörten demnach auch 17 der ursprünglich 26 Angeklagten des Koblenzer Prozesses.

Die Staatsanwaltschaft wertet den Gewalteklat als schweren Landfriedensbruch. Lermen wirft ihr vor, viele Zeugen in der Anklage nicht aufgeführt zu haben, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen sei. Die Zeugen seien im Prozess erst aufgrund entsprechender Anträge einiger Anwälte gehört worden. Es seien wichtige Zeugen gewesen, da sie die Angeklagten entlasteten und schilderten, dass die „Praxis“-Bewohner die ersten Steine geworfen haben.

Den Angeklagten im Neonaziprozess wird vorgeworfen, mit dem Aktionsbüro Mittelrhein eine kriminelle Vereinigung gebildet und weitere Straftaten verübt zu haben. Lermen verteidigt einen Mann (28) aus dem Kreis Ahrweiler, der Aktionsbüro-Mitglied gewesen sein soll. Lermen: „Für mich ist bisher nicht ansatzweise erkennbar, wie die Staatsanwaltschaft das Bestehen einer kriminellen Vereinigung nachweisen will.“

Hartmut Wagner