Milchpreise schwanken extrem: Viel ackern für kleines Geld

Die Landwirte freut's, die Verbraucher ärgern sich hingegen eher: Der Butterpreis ist im Moment so hoch wie seit rund einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Knapp 2 Euro kostet im Supermarkt das Päckchen. Vor zwölf Monaten lag der Preis für ein Stück Butter hingegen noch bei 75 Cent. Diese starken Preisschwankungen bekommen am deutlichsten die Milchbauern zu spüren, viele Betriebe mussten schon dichtmachen, weil sie der immer wiederkehrenden finanziellen Belastung nicht standhalten konnten.

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Unsere Reporterin Nina Kugler 
hat sich im Rhein-Hunsrück-Kreis mit einem Milchbauern getroffen und sich nach seiner Situation erkundigt.

Familie Berg will nicht aufgeben. Ihr Hof liegt im Hunsrück, am Rand der rund 1600-Einwohner zählenden Gemeinde Argenthal. Zwischen den vielen Apfelbäumen der Streuobstwiesen äsen Rehböcke, auf den Höhen des nahen Soonwalds drehen sich gewaltige Windräder. Dazwischen liegen die Felder von Milchbauer Wilfried Berg. „Wir bewirtschaften circa 180 Hektar landwirtschaftliche Fläche“, erklärt der Landwirt und deutet mit einer ausladenden Handbewegung auf die Felder hinter seinem Bauernhof. Diese nutzt Familie Berg ausschließlich für ihre Milchkühe und deren Versorgung. 175 Stück zählt die Herde momentan.

Der 65 Jahre alte Bauer mit den freundlichen, dunklen Augen und dem kleinen Bäuchlein hat es nie bereut, sich auf Milchkühe spezialisiert zu haben. Auch wenn die Situation für Milchbauern schwierig ist. Besonders das vergangene Jahr steckt den Bergs, aber auch vielen anderen Betrieben im Land, noch in den Knochen.

Mit der Milch seiner Tiere konkurriert der Betrieb aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis auf dem internationalen Markt. Und ist dort immer wieder krassen Preisschwankungen ausgesetzt. Nach einem Hoch von 37 Cent pro Liter im September 2013 ist der Milchpreis stetig gesunken. Nur noch rund 20 Cent je Liter wurde den Bauern Mitte vergangenen Jahres noch gezahlt. Eine langfristige Planung gibt es nicht. Zweimal im Jahr wird der Milchpreis per Vertrag neu festgelegt. Und seitdem 2015 die Milchquote der EU nach 30 Jahren ausgelaufen ist, scheint der Markt keine Grenzen mehr zu kennen.

Das ging an die Substanz, nicht jeder Betrieb in Rheinland-Pfalz konnte bei diesen niedrigen Preisen mithalten. Allein im Krisenjahr 2016 mussten laut Agrarbericht des Landwirtschaftsministeriums rund 100 Betriebe endgültig schließen.

Wilfried Berg und seine Frau Ulrike halten 175 Milchkühe.
Wilfried Berg und seine Frau Ulrike halten 175 Milchkühe.
Foto: Nina Kugler

Landwirt Wilfried Berg bestätigt: „So, wie die Preise im vergangenen Jahr waren, können wir nicht produzieren. Das treibt die Betriebe finanziell in den Ruin, das ist ganz klar.“ Er spricht von einer Preismisere. Zwei Molkereien gibt es in Rheinland-Pfalz: die MUH Arla eG in Pronsfeld in der Eifel und die Hochwald Food GmbH in Thalfang im Hunsrück. Die Bergs verkaufen ihre Milch an Hochwald. Alle zwei Tage kommt der Kühllastwagen und holt die rund 9000 Liter Milch der Berg‘schen Kühe ab. Im vergangenen Jahr bekamen sie 21 Cent pro Liter. „40 Cent würde ich als auskömmlich ansehen“, sagt Wilfried Berg.

Aktuell bekommt Familie Berg 31,5 Cent für den Liter Milch. Warum der Milchpreis in diesem Jahr wieder gestiegen ist, kann sich Berg nicht wirklich erklären. Er spricht von schwankenden Weltmarktpreisen und von globalen Krisen, die darauf Einfluss haben. Er sagt aber auch: „Milch ist ein lebendiges Produkt. Die kann man nicht, wie beispielsweise Getreide, einlagern und dann am Markt platzieren, wenn die Nachfrage mal steigt. Wenn ich zu viel habe, verdirbt die einfach.“ Seine Frau Ulrike ergänzt: „Butter und Sahne waren schon immer Luxusprodukte. Und es kommt von Tieren, was eben auch für uns Bauern mit viel Arbeit verbunden ist. “

Mehrere Jahre Milchpreiskrise, das hieß für Hunderte Milchbauern im Land, horrende Schulden anzuhäufen. Um dem niedrigen Milchpreis entgegenzuwirken, kauften viele Bauern mit Krediten neues Vieh, um so die Milchmenge zu erhöhen – und ihr Einkommen. Dadurch gab es aber zu viel Milch auf dem Markt, gleichzeitig fiel weltweit die Nachfrage – beispielsweise wegen des Embargos gegen Russland für landwirtschaftliche Produkte aus der EU oder wegen der schwächelnden Nachfrage aus China. Kreditschulden bei der Bank und ein sinkender Absatzmarkt – für viele Bauern bedeutete das das Aus. Die, die sich durch diese schwierige Zeit kämpften, drosselten ihre Produktion. Erst mit einer langsam wieder ansteigenden Nachfrage nach Milch verdienen nun auch die Bauern wieder mehr.

Wilfried Berg schätzt, dass der Milchpreis auch in den nächsten Monaten noch steigen wird – wie schon der Butterpreis in den vergangenen Monaten. Laut dem Statistischen Bundesamt legte der Butterpreis bis August 2017 innerhalb eines Jahres um etwa 60 Prozent zu. Und wenn jetzt die Nachfrage nach Milch steigt und dadurch Butter, Sahne und Käse teurer werden, steigt logischerweise auch irgendwann der Preis für Trinkmilch, schätzt Berg. Allerdings wird der Milchpreis wohl nicht so extrem in die Höhe schießen wie der Butterpreis, merkt der Landwirt an. Und: „Wir empfinden Butter im Moment als besonders teuer, weil wir diese extremen Schwankungen haben.“

Trotzdem wollen die Bergs ihren Betrieb jetzt nicht weiter vergrößern. Zuletzt wurde 2015 ein neuer Kuhstall gebaut, bereits der dritte seit 1995. Knapp 200 Tieren bietet der nun Platz. Hochmodern und vollautomatisch. Die Berg'sche Antwort auf die Milchpreiskrise.

Aber Berg ist sich sicher, dass der Milchpreis nicht auf Jahre konstant oben bleiben wird. Er rechnet mit einem erneuten Preisverfall, irgendwann. Er fordert deshalb von den Verbrauchern mehr Verständnis. Ja, der Preis für ein Stück Butter ist im Moment ungewöhnlich hoch. Aber: „Man muss doch auch immer die Schwankungen betrachten, jetzt kostet das Pfund Butter 1,99 Euro. Aber wenn die Butter dann wieder nur 1 Euro kostet, fällt das kaum einem auf.“

Seitdem der Stall der Bergs neu gebaut wurde, kümmern sich vermehrt Roboter um die Tierversorgung. Effektivität ist wichtig. Im Stall wird alle paar Stunden automatisch Futter in den Trog geschoben. Und immer wenn das Euter spannt, können die Tiere zum Melkstall gehen, wo sich automatisch die Melkmaschine anlegt und ihre Milch abzapft.

Jede Milchkuh ist mit einem Chip ausgestattet, der an einem Halsband baumelt und misst, wann sie das letzte Mal zum Melken gegangen ist und wie viel Milch sie gegeben hat. Berg überwacht das von einem Computer aus im Stall. „Herdenmanager“ nennt er sich selbst. Er greift nur noch ein, wenn eine Kuh nicht freiwillig ihre Milch abgeben will. So kann Berg zumindest in seinem eigenen Stall die Milchproduktion überwachen. Und er weiß immer, wie viel Milch er an Hochwald verkaufen kann.

Bauer und Vieh im Hunsrück sind zufrieden mit der Entwicklung. Aber Berg gibt zu: „Der Betrieb hätte sich so nicht weiterentwickelt, wenn der Sohn ihn nicht übernommen hätte. Das hätte ich persönlich nicht gebraucht. Aber wir brauchen jetzt das Einkommen für zwei Familien.“ Dafür braucht Familie Berg einen stabilen Milchpreis.