Nach der Übernahme durch PSA: Opels Reise ins Ungewisse

Er ist immer noch überzeugt, dass die Übernahme durch PSA der richtige Schritt gewesen ist, beteuert Opel-Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug. Die neue Konzernmutter PSA aus Frankreich kann Opel retten, nur über den Weg streiten sich Management und Gewerkschaften inbrünstig. Es geht um die Zukunft von rund 18.000 Opelbeschäftigten in den drei deutschen Werken Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach sowie im hessischen Testzentrum Dudenhofen und im Teilelager Bochum.

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Der IG-Metall-Chefverhandler Berthold Huber spricht von „Erpressung“, um die Verhandlungsstrategie des PSA-Konzerns zu geißeln. PSA hat Opel im vergangenen Sommer gekauft. Opel-Chef Michael Lohscheller und sein Konzernboss Carlos Tavares machen Investitionszusagen für einzelne Werke schlicht von (Lohn-)Zugeständnissen der Gewerkschaft abhängig. Den von der IG Metall im Gegenzug verlangten Zukunftsplan mit festen Zusagen zu Beschäftigtenquoten und Produktplatzierungen in den einzelnen Werken wollen sie aber bislang nicht vorlegen.

Keine Lust auf Mitbestimmung

Was aus Opel/PSA-Sicht in Polen, Spanien oder England bereits bestens funktioniert hat, kann die deutsche Gewerkschaft aus übergeordneten Gründen nicht so leicht wiederholen. Opel ist keineswegs der einzige Autobauer im Flächentarif der größten Einzelgewerkschaft der Welt, denn auch die Beschäftigten etwa von Ford, Mercedes-Benz, BMW oder Porsche werden nach dem Tarifwerk entlohnt.

Benötigt ein Unternehmen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten einen Tarifnachlass, muss es nach hiesigem Verständnis die Gewerkschaft tief in die Bücher blicken lassen und nach den Regeln des „Pforzheimer Abkommens“ einen Plan vorlegen, wie man wieder in die Gewinnzone zurückkehren will. Doch PSA-Chef Tavares hält offenbar nicht viel von gewerkschaftlichem Co-Management à la „Pforzheim“, zumal er den eigenen Konzern innerhalb weniger Jahre ohne solche Verabredungen auf Effizienz getrimmt hat.

„Da muss man offen und ehrlich sein: Das Einzige, was Mitarbeiter schützt, ist Gewinn“, lautet ein Zitat des nüchternen Portugiesen. Eisern nennt er keine Zielgrößen für Personal und Produktion in den einzelnen Opelwerken, will die Auslastung von der „Performance“ (Leistung) und den Verkaufszahlen abhängig machen.

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Aus Sicht der IG Metall verlangt PSA von ihr Zustimmung zu kräftigen Einschnitten, ohne Zusagen für die Zeit danach zu machen. Als Erstes wird das im Montagewerk Eisenach sichtbar, das Lohscheller künftig nur noch mit einem Geländewagen belegen will, der von 2020 an auch in einer Elektrovariante gebaut werden könnte. Die IG Metall fürchtet um die Hälfte der rund 1800 Jobs und den „Tod auf Raten“ für ein Werk, das einst mit kräftiger Staatshilfe als Symbol der deutschen Einheit errichtet wurde. Landes- und Bundespolitiker von CDU bis Linkspartei geben Rückendeckung und verlangen von PSA weitergehende Zusagen.

Der von Kurzarbeit flankierte Personalabbau schreitet bei Opel in großen Schritten voran. Der Betriebsrat fürchtet inzwischen einen gefährlichen Exodus und verlangt ein schnelles Ende der Abfindungen von bis zu 275.000 Euro für jüngere Beschäftigte. Die intern angepeilte Zahl von 3700 Abgängen werde allein durch Vorruhestand und Altersteilzeit erreicht, sagt Betriebsratschef Schäfer-Klug. Ob das reichen wird, ist unklar. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hat vor einiger Zeit ausgerechnet, dass bei Opel 6000 Stellen wegfallen müssten, um die Effektivität der PSA-Fabriken zu erreichen. Wohin die Reise technisch geht, sehen die Opelaner bereits seit 2012 im eigenen Unternehmen. Gemeinsam mit PSA sind inzwischen vier Modelle auf den Weg gebracht worden, in denen ein Großteil Peugeot-Technik tickt. Es sind die kostengünstigsten Autos im Portfolio. Den Opel-Ingenieuren in Rüsselsheim könnte in der Zukunft bei etlichen Autos nur noch der äußere Feinschliff als Aufgabe bleiben, um die neuen Opel von Schwestermodellen der anderen Konzernmarken Peugeot, Citroën und DS unterscheidbar zu machen. Tavares schätzt an den Opel-Autos ihre „Germanness“, den deutschen Stil, den man auch auf anderen Märkten in der Welt gut verkaufen kann. Ist die Frage, wie viel deutsches Engineering es dafür braucht.

Die Beschäftigten in Rüsselsheim und anderswo sind leidgeprüft. Seit 1999 lieferte ihr Unternehmen keinen Gewinn mehr bei der Konzernmutter General Motors (GM) ab. Die Sanierungswellen wechselten zwischenzeitlich so schnell wie die meist aus Detroit entsandten Manager an der Opel-Spitze. Unvergessen sind die umstrittenen Werkschließungen in Antwerpen (2010) und Bochum (2014) sowie die Opel-Krise im Jahr 2009, als IG Metall und Bundesregierung sich schon mit dem Zulieferer Magna einig waren, bevor GM den geplanten Verkauf an die Austro-Kanadier in letzter Minute stoppte.

Fehler in der Modellpolitik

Die Gründe für den Niedergang der schon 1929 von General Motors übernommenen Marke sind vielfältig: Nach den Glanzzeiten in den 1960er- und 70er-Jahren folgten immer langweiligere Modelle, die dem gleichzeitigen Aufstieg des Konkurrenten Volkswagen mit seinem Golf wenig entgegenzusetzen hatten. Es ist kein Zufall, dass zwar dieser Tage der 50 Jahre alte Sportwagen GT – zu sehen oben auf dieser Seite – als Opel-Ikone gefeiert wird, sich im aktuellen Fahrzeugprogramm aber mit wenigen Ausnahmen kaum noch Sportsgeist findet.

Ein ausschließlich auf niedrigste Preise fixierter Einkauf unter dem Spanier Ignacio Lopez brachte dem Hersteller eine heftige Qualitätskrise ein, während die Fehler in der Modellpolitik nicht abrissen. Als nahezu einziger Hersteller stand Opel bis vor wenigen Monaten ohne ein konkurrenzfähiges SUV-Modell da, obwohl man diese stadttauglichen Geländewagen ab 1991 mit als erste in Europa in Form des „Frontera“ angeboten hatte.

PSA-Chef Tavares selbst hat bei der Vorstellung seines Sanierungsprogramms eine Bilanz der bisherigen Rettungsversuche gezogen. Wohl auch, um die anstehenden Einschnitte noch notwendiger erscheinen zu lassen. 19 Milliarden Euro Verluste habe Opel in diesem Jahrtausend angehäuft und weit mehr als 30.000 Jobs vernichtet, prangerte der drahtige Portugiese die „Leistungen“ seiner Vorgänger an. Gebracht hat es wenig: Der europäische Marktanteil der Marke mit dem Blitz ist von mehr als 10 Prozent auf weniger als 6 Prozent gesunken, und Opel schreibt immer noch Verluste. Christian Ebner (dpa)

Kommentar: Opel wird zwangsweise umgeparkt

Die Opelaner haben es satt. Zu Tausenden verlassen sie den kriselnden Autobauer, nehmen dankend das Angebot von Altersteilzeit oder Abfindung an. Zu viele Sparrunden haben sie mitgemacht, zu oft standen sie vor der Frage, wie es mit der Marke mit dem Blitz weitergeht – und ob überhaupt. Abenteuerliches haben sie erlebt, etwa, als der österreichische Zulieferer Magna sich anschickte, plötzlich zum Autobauer zu werden – bevor General Motors dann in einer irrsinnigen Volte beschloss, die deutsche Tochter doch zu behalten. Vorerst, wie sich heute zeigt.

Jörg Hilpert zur Zukunft von Opel

Die 2014 gestartete und groß angelegte Werbekampagne – „Umparken im Kopf“ empfahl Opel da dem deutschen Autokäufer, um das schlechte Image endlich loszuwerden – wirkt nun wie ein Hohn. Die Rüsselsheimer werden jetzt umgeparkt, und am Steuer sitzt Carlos Tavares. Der deutsche Opel-Chef Michael Lohscheller macht den Eindruck eines willfährigen Erfüllungsgehilfen, wenn es darum geht, den harten Kurs des Portugiesen durchzusetzen. Eigener Ehrgeiz? Nicht erkennbar.

Versuche, sich neu zu profilieren – etwa mit dem Elektro-Projekt Ampera-e – wurden einfach vom Tisch gefegt. So, wie es mittlerweile aussieht, wird Opel als unscheinbare Konzernmarke enden und Teile aus dem PSA-Regal verbauen, statt selbst innovativ zu werden. Natürlich hat die Strategie des neuen Konzernchefs ihren Sinn. Bisher war Opel ein Volumenhersteller mit viel zu kleinen Volumina. Zusammen mit Peugeot und Citroën kann die kritische Größe erreicht werden, um zu überleben. Aber wenn Tavares nicht noch einlenkt und die Opelaner wenigstens auf den Beifahrersitz lässt, wird die Marke nie mehr einschlagen wie der Blitz.

Rennfahrer Tavares: Ein harter Sanierer

PSA-Chef Carlos Tavares hat den französischen Autobauer in nur drei Jahren von der Verlust- in die Gewinnzone zurückgebracht. Dazu strich er allerdings rund 30.000 Jobs. Der gebürtige Portugiese mit asketischer Figur führt sein Unternehmen wie ein Rennfahrer.

„Ich versuche, den Geschmack der Leistung einzuflößen. Es gibt eine totale Analogie zwischen Sport und Unternehmen.“ Tavares macht klare Zielvorgaben, ständig fällt bei ihm das Wort „Benchmark“ – die Leistung muss eben stimmen. Tavares wurde 1958 in Lissabon geboren, ging auf eine französische Schule und dann schon in jungen Jahren nach Frankreich. In Paris ließ er sich zum Ingenieur ausbilden. Mehr als 30 Jahre war Tavares beim heimischen PSA-Erzrivalen Renault tätig, zum Schluss als faktische Nummer zwei hinter Konzernchef Carlos Ghosn. „Nur wenige auf der Welt wissen so genau wie er, wie man im Detail ein Auto entwirft, produziert, steuert und verkauft“, schrieb die Zeitung „Le Monde“. Als Tavares 2013 öffentlich mit der Idee liebäugelte, die Führung von General Motors zu übernehmen, musste er bei Renault gehen – und übernahm kurz darauf das Steuer bei PSA.
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