Marburg

Der Greifvogel mag das Reisen: Heimkehr mit Hindernissen für Rotmilane

Ein Rotmilan zieht seine Kreise.
Ein Rotmilan zieht seine Kreise. Foto: dpa

Etwa die Hälfte aller Rotmilane weltweit fliegt Deutschland an. Das ist ein Spitzenwert. Doch der Greifvogel kämpft mit Problemen. Was ihm helfen kann, untersuchen Marburger Forscher.

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20 Rotmilane sind Teil eines Forschungsprojekts der Marburger Philipps-Universität. Sie heißen Agathe, Berta, Dieter oder Emil, dienen der Wissenschaft – und ihrer Art. Doktorandin Theresa Spatz und ihr Team untersuchen am Uni-Fachbereich Biologie, weshalb es immer weniger dieser Vögel gibt und was sich daran ändern ließe. Die Professorin Nina Farwig betreut das Projekt, gefördert wird es von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.

Zu erkennen ist der streng geschützte Rotmilan an seinen vergleichsweise langen Flügeln und einem langen gegabelten Schwanz. Der Greifvogel liebt das Reisen. Die meisten Rotmilane aus Nord- und Mitteleuropa verlassen im Herbst ihre Brutgebiete und fliegen in wärmere Länder – vor allem nach Spanien. Im Frühjahr kehren sie zurück, meist nach Deutschland. Über die Hälfte des weltweiten Bestands brütet hierzulande.

Insgesamt gibt es weltweit etwa 20.000 bis 25.000 Brutpaare. Doch der Rotmilan ist gefährdet, Experten mit einem Rückgang der Art. Das liege vor allem daran, erklärt Biologin Spatz, dass sich der Lebensraum der Rotmilane komplett verändert habe, seit der Mensch massiv in die Natur eingreife. Beispielsweise würden in der Landwirtschaft vermehrt Düngemittel eingesetzt und Pestizide auf die Böden gebracht. „Viele moderne Feldfrüchte wachsen zu dicht, so dass der Rotmilan dort keine Nahrung mehr findet“, sagt die Forscherin. Natürliche Nahrungsquellen versiegten so immer mehr.

Dabei sind Rotmilane nicht wählerisch. Sie fressen gerne kleine Säugetiere, Singvögel und Aas, aber auch Fische, Amphibien oder Insekten. Ein weiteres Problem: Windenergieanlagen zerschneiden hier und dort die natürlichen Lebensräume der Vögel.

Diese Entwicklung macht auch Martin Hormann von der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland Sorgen. Das Ausmaß des Rückgangs lasse sich vermutlich erst in ein paar Jahren erkennen, sagt er. Noch sei nicht abzusehen, wie sich der veränderte Lebensraum auf das Brutverhalten der Rotmilane auswirke.

Um herauszufinden, wie sich die Tiere in dieser veränderten Umwelt zurechtfinden, welche Brutplätze sie anfliegen und wo sie Nahrung finden, hat die Marburger Forschergruppe ihre Vogelschar mit kleinen Sendern ausgestattet, die auf dem Rücken der Tiere angebracht sind. So lassen sich Flugrouten und Landeplätze genau verfolgen. „Sender nehmen ihre Daten über das normale GPS-System auf und senden uns die Daten täglich übers Handynetz“, erklärt Spatz. Das hilft den Wissenschaftlern: Früher hätten sie mit einer Antenne hinter den Tieren herfahren müssen.

Ein Rotmilan zieht seine Kreise.
Ein Rotmilan zieht seine Kreise.
Foto: dpa
Die Plätze der Rotmilane sind geheim, damit das Verhalten der Vögel ungestört untersucht werden kann. Allerdings verrät Forscherin Spatz die Reiserouten ihrer Exemplare: Agathe etwa hat nach einer kurzen Winterflucht nach Frankreich ihr heimisches Revier in Mittelhessen bei Marburg längst wieder besetzt.

Zuvor sei sie von Luxemburg aus über zehn Stunden lang entlang der Mosel geflogen. Ihr Weg führte sie über das Lahntal nach Wetzlar. Sie übernachtete in einem Wäldchen und flog über Gießen, Buseck und Ebsdorfergrund in ihre Heimat. In sechs Tagen habe Agathe eine Strecke von 950 Kilometern Luftlinie zurückgelegt. Mittlerweile läuft die Brut der Vögel.

Das Marburger Projekt startete vor gut einem Jahr, im Herbst liegen vielleicht schon erste Ergebnisse vor. Schon jetzt ist den Forschern klar: Um den Rotmilanen wieder einen guten Lebensraum zu bieten, müsste auf eine biologische Landwirtschaft gesetzt werden, auch Schutzzonen sollten eingerichtet werden. Und während der Brutzeit sollten die Vögel ungestört bleiben.

Von Hans Rubinich (dpa)