Magen-Darm-Beschwerden in Eigenregie behandeln

Ein deftiges Essen, ein Kaffee zu viel, Stress, Unverträglichkeiten – das alles kann uns gewaltig auf den Magen schlagen. Magen-Darm-Beschwerden kennen die meisten Menschen aus leidvoller Erfahrung. Sodbrennen, Übelkeit, Krämpfe, Verstopfung oder Durchfall sind weit verbreitete Beschwerden. Oft sind ihre Ursachen harmlos und mit Änderungen in den Ernährungs- und Lebensgewohnheiten oder mit frei verkäuflichen Arzneimitteln in den Griff zu bekommen. Doch in manchen Fällen steckt mehr dahinter. Dann sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen, um den Ursachen der Symptome auf den Grund zu gehen. Wie sich Magen-Darm-Beschwerden in Eigenregie behandeln lassen und wann ärztlicher Rat gefragt ist, darüber informierten Experten am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen.

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Wie stelle ich fest, was die Ursache für meine Magenbeschwerden ist?

Manfred Bocksch: Die Abläufe im Magen-Darm-System sind sehr komplex und die Suche nach den Ursachen für eine länger andauernde Störung führt Nicht-Mediziner nicht selten in die Irre. Oftmals äußern sich die Folgen von Stress, falschen Essgewohnheiten oder Unverträglichkeiten ähnlich wie gravierende Erkrankungen. Ein ausführliches Gespräch mit Ihrem Hausarzt sollte deshalb der erste Schritt sein, dem bei Bedarf weitere Untersuchungen bei einem Facharzt folgen können.

Was versteht man unter einem „Reizmagen“?

Manfred Bocksch: Reizmagen ist eine sogenannte funktionelle Beschwerde. Das bedeutet, ihm liegt keine organische Ursache wie zum Beispiel eine Magenschleimhautentzündung zu Grunde. Zu den typischen Beschwerden einer funktionellen Dyspepsie zählen Völlegefühl, Druck im Oberbauch, vorzeitiges Sättigungsgefühl, Übelkeit und Erbrechen. Die Symptome treten sowohl nach dem Essen auf wie auch ohne zeitlichen Zusammenhang zur Nahrungsaufnahme. Die Diagnose gilt als gesichert, wenn die Beschwerden innerhalb eines halben Jahres über einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten hinweg andauern und wenn andere Erkrankungen des Magens durch ärztliche Untersuchungen ausgeschlossen sind.

Kann man einen Reizmagen oder einen Reizdarm überhaupt behandeln?

Manfred Bocksch: Je nach Intensität der Symptome lassen sich gute Ergebnisse mit Tees erzielen, die Melisse, Fenchel oder Kamille enthalten. Auch ein pflanzliches Arzneimittel, zum Beispiel eine Kombination aus neun Heilpflanzen (siehe Infokasten), kann die Beschwerden lindern.

Welche Beschwerden kann ich selbst behandeln und wann soll ich zum Arzt gehen?

Manfred Bocksch: Wenn die Selbstmedikation mit frei verkäuflichen Arzneien oder Tees binnen einer Woche keine Linderung bringt, sollten Sie einen Arzt konsultieren. Treten Magen- und Darmprobleme plötzlich und mit hoher Intensität auf, etwa mit kolikartigen Schmerzen oder starkem Durchfall, sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen.

Bei welchen Beschwerden helfen pflanzliche Arzneimittel und worauf soll ich bei der Auswahl achten?

Manfred Bocksch: In erster Linie sind pflanzliche Präparate zur Behandlung von leichten Magen-Darm-Beschwerden geeignet und besonders dann sinnvoll, wenn mehrere Symptome gleichzeitig auftreten. Doch auch bei stärkeren Beschwerden, zum Beispiel bei einem Reizmagen oder einem Reizdarm-Syndrom, werden gute Ergebnisse erzielt. Damit ein Phytotherapeutikum möglichst breit wirkt, sollte es eine ausgewogene Kombination von Pflanzenextrakten beinhalten.

Sind pflanzliche Arzneimittel als Dauermedikation geeignet oder soll ich sie nur bei Bedarf einnehmen?

Manfred Bocksch: Dauerhafte Beschwerden bedürfen unbedingt der ärztlichen Abklärung und sind kein Fall für die Selbstmedikation. Es gibt allerdings Phytotherapeutika, die auch für Langzeittherapien empfohlen werden, weil ihre gute Verträglichkeit und schnelle Wirksamkeit in zahlreichen Studien belegt wurde. Gerade bei Reizmagen- oder Reizdarmpatienten treten die Beschwerden häufig in Schüben auf, dann bietet sich ein pflanzliches Arzneimittel für einen längeren Zeitraum an. Patienten sollten aber in Absprache mit ihrem Arzt auch immer wieder prüfen, ob ein Aussetzen der Medikation nach Abklingen der Schübe möglich ist.

Mir wurde gegen Sodbrennen ein Säureblocker empfohlen. Wie funktionieren diese Medikamente?

Dr. Wolfgang Bucke: Wurde früher bei Sodbrennen oft Bullrich-Salz verwendet, sind heute Säureblocker weit verbreitet. Diese auch als „Magenschutz“ bekannten Protonen-Pumpen-Inhibitoren verhindern vereinfacht gesagt, dass Magensäure gebildet und in den Magen ausgeschüttet wird. Zuviel Magensäure, gerade in der Speiseröhre, führt zu Sodbrennen und saurem Aufstoßen. Die Blockierung der Magensäureproduktion hat aber auch Nachteile: Magensäure wird für die Aufnahme von Vitamin B12, Magnesium und Eisen sowie für die Eiweißverdauung benötigt. Zudem verhindert die Säurebarriere Darmentzündungen durch die Abtötung von Bakterien. Der Einsatz eines Säureblockers sollte also gut abgewogen werden.

Ist Sodbrennen immer die Folge von zu viel Magensäure?

Dr. Wolfgang Bucke: Vor allem ist Sodbrennen die Folge von Magensäure am falschen Ort, nämlich in der Speiseröhre. In zwei Dritteln der Fälle ist Sodbrennen ein Ergebnis einer gestörten Magenbewegung und einem angespannten Magenmuskel, der eine normale Dehnung des Magens verhindert. Der Magensaft weicht dann in die Speiseröhre aus. Dieser Zusammenhang macht auch deutlich, dass eine Pufferung der Säure allein durch ein Antazidum oft nicht ausreicht, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Hinter Sodbrennen kann aber auch eine Störung des Magenschließmuskels stecken, die auf Dauer zu Schädigungen der Speiseröhre und einer Reizung der Atemwege führen kann.

Ich habe häufig mit Bauchkrämpfen zu kämpfen. Was kann ich da selber machen?

Dr. Wolfgang Bucke: Bauchkrämpfe können neben Blähungen, Völlegefühl, Bauchschmerzen und verändertem Stuhlgang auf einen Reizdarm hinweisen. Lassen Sie die Problematik zur Sicherheit ärztlich abklären. Dazu ist es hilfreich, ein Ernährungsprotokoll oder Ernährungstagebuch zu führen. Was die Selbstmedikation betrifft, können Sie ein pflanzliches Präparat anwenden, das die Magen-Darm-Bewegungen reguliert und krampflösend wirkt.

Ich leide sehr oft an Völlegefühl und einem Blähbauch. Wie lindere ich meine Beschwerden?

Dipl. oec. troph. Amely Brückner: Häufig hilft es bereits, Ernährungsgewohnheiten zu überprüfen und stark blähende Speisen, kohlensäurehaltige Getränke, Süßspeisen und Softdrinks einzuschränken. Für das Essen sollte man sich zudem Zeit nehmen – trinken und essen wir zu hastig, schlucken wir viel Luft herunter. Hinter Ihren Beschwerden könnte aber auch eine Kohlenhydratverwertungsstörung stecken. Kurzfristig können Sie Ihren Bauch mit pflanzlichen Arzneimitteln beruhigen. Halten die Beschwerden an, wenden Sie sich am besten an eine erfahrene Ernährungsfachkraft und einen Gastroenterologen, die eine Ernährungsumstellung einleiten können.

Mein Magen ist anfällig für Stress. Wie kann ich mich davor schützen?

Dipl. oec. troph. Amely Brückner: Stress, vor allem, wenn er als belastend empfunden wird, bringt die Verdauung gern durcheinander. Das führt zu noch mehr Stress und Anspannung im Magen-Darm-Trakt – ein Teufelskreis. Achtsamkeit- und Entspannungstrainings wie zum Beispiel progressive Muskelentspannung oder Yoga, aber auch sportliche Betätigung und ausgiebige Spaziergänge an der frischen Luft wappnen Sie für Belastungssituationen und wirken krampflösend für den Magen. Achten Sie auch darauf, Ihren Magen mit den Speisen nicht zu überfordern. Essen Sie eher kleinere Mengen, verzichten Sie abends auf Rohkost und achten Sie auf versteckte Fette.

Wie stelle ich fest, ob bestimmte Lebensmittel der Grund für meine Darmbeschwerden sind?

Dipl. oec. troph. Amely Brückner: Dabei sollten Sie sich Hilfe von einer Ernährungsfachkraft holen, die sich auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten spezialisiert hat. Sie analysiert Ihre Ernährungsgewohnheiten und veranlasst möglicherweise verschiedene notwendige Testungen. Das weitere Vorgehen wird in Zusammenarbeit mit ihrem behandelnden Arzt aus den Testergebnissen und Ihrem Ess- und Trinkverhalten abgeleitet.

Gibt es bestimmte Zubereitungsarten, die empfehlenswert sind?

Dipl. oec. troph. Amely Brückner: Dünsten, dämpfen und kochen sind meistens günstige Zubereitungsmethoden, die den Verdauungstrakt milder stimmen. Die Speisen sollten weder zu heiß noch zu kalt gegessen werden. Insbesondere bereits mundgerecht geschnittenes Tiefkühl-Gemüse ist oft besser verdaulich als frisch verarbeitete Rohware.

Was gegen Magen-Darm-Beschwerden helfen kann:

Iberis amara, auch Bittere Schleifenblume genannt, besitzt entzündungshemmende Eigenschaften und aktiviert die Magen-Darm-Bewegung

Angelikawurzel entspannt die Magen-Darm-Muskulatur und entfaltet eine anti-oxidative Wirkung

Kümmel beruhigt Entzündungen und wirkt Blähungen entgegen

Kamille wirkt entzündungshemmend, lindert Krämpfe und fördert die Bewegungsabläufe im Magen

Mariendistel schützt die Schleimhaut und wirkt gegen Magenkrämpfe

Melisse hemmt freie Radikale und wirkt entzündungshemmend

Schöllkraut verbessert die Beweglichkeit des Magens, wirkt antientzündlich und krampflösend

Pfefferminze wirkt Entzündungen entgegen und entspannt die Magen-Darm-Muskulatur

Süßholzwurzel wirkt entzündungshemmend, schleimhautschützend und lindert Krämpfe in Magen und Darm

Die Experten am Lesertelefon waren:

Dipl. oec. troph. Amely Brückner; Ernährungsberaterin, Ernährungsfachkraft Allergologie (DAAB), VDOe-Ernährungsberatung, Work Health Balance-Coach (ECA), Reha-Sport-Trainerin, Aumühle

Manfred Bocksch; Niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin, Schwerpunkte Naturheilverfahren und Phytotherapie, Wolfratshausen

Dr. Wolfgang Bucke; Apotheker, Schulungsleiter und Apotheken-Teamtrainer, Karlsruhe