Meldestelle veröffentlicht Archiv: Ufos gibt es(bisher) nur auf der Leinwand

Auf Sozialwissenschaftler, Psychologen und Verschwörungstheoretiker wartet eine spannende Lektüre. Nach mehr als 40 Jahren hat das Ufo-Archiv des „Centralen Erforschungsnetzes außergewöhnlicher Himmelsphänomene“ (Cenap) nun im Internet seine Untersuchungen zu rätselhaften Beobachtungen veröffentlicht. „Die meisten Phänomene sind rational erklärbar“, sagt Hansjürgen Köhler mit breitem Grinsen. „Außerirdische haben die Erde nach unserer Einschätzung jedenfalls noch nicht besucht.“

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Der 62 Jahre alte Mann betreibt die Meldestelle für mysteriöse Flugobjekte fast im Alleingang. Wer die Hotline anruft, hat mit Köhler zu tun. Ihren Sitz hat die Cenap im hessischen Odenwald, besser gesagt in Michelstadt. Die 1976 in Mannheim gegründete Einrichtung setzt sich von Beginn an kritisch mit Berichten angeblicher Ufo-Sichtungen auseinander. Angebliche Entführungen durch Außerirdische und Nazi-Flugscheiben sind Themen, mit denen sich die Hobby-Astronomen im „Cenap-Report“ beschäftigt haben und die nun online zu lesen sind.

Auch die Polizei wendet sich hin und wieder an die Cenap. Etwa als eine Sichtung am Nachthimmel vor fünf Jahren für zahlreiche Anrufe bei der Polizei in Rheinhessen sorgte. Die Cenap vertrat die These, es könnte sich dabei um einen Feuerball-Meteoriten gehandelt haben. Allein im vergangenen Jahr hätten 326 Frauen und Männer angerufen und ihm verwundert von ihren Beobachtungen berichtet, sagt Köhler. „Manchmal mitten in der Nacht.“

Eine Handvoll Mitstreiter unterstützt den Hobby-Astronomen bei Recherchen, wie er sagt. „Wenn der klare Nachthimmel gute Sicht auf den Fixstern Sirius oder auf die dahingleitende ISS bietet, glüht das Telefon“, fügt der kahlköpfige Mann hinzu. Wie der gebürtige Mannheimer sagt, lassen sich die meisten Sichtungen aufklären. Mal handle es sich um Helium-Ballons mit LED-Beleuchtung, Sternschnuppen oder leuchtende Modellflugzeuge und echte Flieger. Dokumentiert wird das alles akribisch. Das physische Archiv der Cenap wird übrigens demnächst fast komplett nach Schweden transportiert. Dortige Ufo-Forscher legen dort eine Art gesamteuropäisches Archiv an, zu dem sämtliche Organisationen vom Kontinent beitragen sollen.

Im Berufsleben verkauft Köhler Segel-Bedarf und lebt von März bis Oktober auf Helgoland. Den Rest des Jahres verbringt er im Odenwald. Ob er aber nun in Südhessen oder auf der Nordseeinsel ist; via Mobiltelefon ist er für jene Menschen erreichbar, die etwas Ungewöhnliches gesehen haben und nach einer Antwort suchen. Mittlerweile meldeten sich auch Schiffsleute, die eine rätselhafte Entdeckung gemacht haben, sagt er. Meist handle es sich um Drohnen, die häufig auf See eingesetzt werden. Egal ob im Ozean oder im All – Köhler schätzt, dass er mehr als 80 Prozent aller beobachteten Ereignisse direkt am Telefon erklären kann. Ein kleiner Prozentsatz ungelöster Fälle bleibe. Das liege daran, dass Beobachtungen spät gemeldet werden und die Ufo-Experten keine Nachforschungen mehr anstellen könnten. Mit seinem 2016 gestorbenen Freund Werner Walter hatte Köhler die Cenap in Mannheim gegründet. Ziel war und ist es, mit dem gesunden Menschenverstand rätselhaften Erscheinungen aufzuklären.

„Wir sind Kinder der Mondlandung“ sagt Köhler. Als vor 50 Jahren der erste Mensch den Erdtrabanten betrat, habe dies enorme Wirkung gehabt. Mit dem Interesse an der Raumfahrt seien erfundene Geschichten hochgekommen. Esoterische Sekten und fanatische Science-Fiction-Fans stellten immer neue Behauptungen über Ufos und Außerirdische auf. Das habe man aufklären wollen, sagt Köhler.

Das, so sagt Raumfahrtingenieur Rainer Kresken von der Europäischen Weltraumagentur (ESA) in Darmstadt, sei eine wichtige Aufgabe. In Zeiten von Verschwörungstheorien und Fake News sei es wichtig, Phänomene rational zu erforschen. Kresken weiß, wovon er spricht. Seit Jahren verteidigt er die Apollo-Mission mit wissenschaftlichen Argumenten gegen Menschen die glauben, das Ereignis habe es nie gegeben und sei pure Propaganda der US-Regierung gewesen. In Vorträgen antwortet er zweifelnden Frauen und Männern. Er hat die gleiche Erfahrung gemacht, wie Köhler. Die allermeisten Zuhörer ließen sich aber durch vernünftige Argumente überzeugen. Aber nicht alle. Echte Ufo-Fanatiker – sie machen fünf bis zehn Prozent der Anrufer aus – geben sich selten zufrieden, sagt Köhler. „Sie beharren darauf, dass sie entweder eine fliegende Untertasse gesehen haben oder sonstige Zeichen einer außerirdischen Zivilisation“, sagt er. Da würden schlüssige Argumente nicht viel helfen. Um dennoch auf dem Laufenden zu bleiben, studiere er neue Entwicklungen in Luft- und Raumfahrt. „Ich recherchiere eigentlich das ganze Jahr über“, sagt Köhler und blickt in die Nacht. Stephen Wolf