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Koblenz

Institution vor Generationswechsel: Koblenzer Kulturfabrik verjüngt sich radikal

Von Melanie Schröder
In der Kulturfabrik Koblenz steht ein Generationswechsel an. Foto: Julia Berlin <br>
In der Kulturfabrik Koblenz steht ein Generationswechsel an. Foto: Julia Berlin

Was genau ist die Kulturfabrik? Die Antwort ist so schnell gefunden, wie sie unpräzise ist: eine lokale Kulturinstitution mit dem Schwerpunkt Jugendtheater in Koblenz-Lützel. Das klingt durchaus vage. Und genau deshalb soll die Profilschärfung künftig zum Aufgabenschwerpunkt des traditionsreichen Hauses werden – ein Leitbild soll ideell und inhaltlich für mehr Wiedererkennungswert sorgen, so die Idee. Die Weichen wurden jetzt gestellt.

Lesezeit: 3 Minuten
Der gesamte Gesellschafterkreis, der seit 1996 im Amt ist und dem Dieter Servatius all die Jahre als Geschäftsführer vorstand, übergibt an die nächste Generation – fast in Gänze. 18 von 20 Gesellschaftern haben sich zurückgezogen, ihr Ehrenamt teils an ihre Kinder, teils an Freunde der Kufa übergeben. Der Altersdurchschnitt des ...
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Kulturfabrik: Von Pioniergeist und Engagement getragen

Koblenz. Also wieder eine Art Generationenwechsel in der Koblenzer Kulturfabrik (Kufa). Und vielleicht auch ein Kulturwechsel. Wie schon einmal vor 22 Jahren. Damals kreuzten sich dort zwei ganz verschiedene Entwicklungslinien freier Kultur in der Stadt, reichte eine Linie die Verantwortung für die Kufa an eine andere weiter. Die Wurzeln beider gehen auf die Wende von den 1970ern zu den 80ern zurück.

Einerseits waren da freischaffende Künstler um das Tanztheater Regenbogen. Sie richteten unter großen Mühen das ungenutzte alte Fabrikgebäude her, entwickelten es zum alternativen Kulturzentrum mit Kneipe, Arbeitsstudios und Wohnräumen, mit Theatersaal für das Regenbogen-Ensemble und Kleinkunstgastspiele. Auf der anderen Seite war da das Schülertheater am Max-von-Laue-Gymnasium, damals vom Deutschlehrer Dieter Servatius initiiert, dann mit seinem Musikkollegen Uli Adomeit vorangetrieben. Es war der Humus, auf dem die Idee für das Koblenzer Jugendtheater keimte, das Servatius 1991 gründete.

Im Kulturzentrum, das die Regenbogengruppe um Doris Schaefer, Arno Alderath und Barbara Pietjou geschaffen hatte, fand das Jugendtheater seine Heimstatt. Damit gehört es zu einem der vielen bereichernden Momente der Kultur, die von der Kufa ihren Ausgang nahmen. Etwa der Kinderzirkus Bambini, aus dem die Jugendkunstwerkstatt hervorging. Oder ein Tanztheaterfestival, das zum Ausgangspunkt für den „Festivalstern Jugendtheater“ des rheinland-pfälzischen Kultursommers wurde. Oder das Kulturbüro Rheinland-Pfalz, das heute von Lahnstein aus unter anderem zahlreiche Jugendliche im freiwilligen sozialen Jahr betreut. Oder: Es ging von der Kufa als einem der ersten soziokulturellen Zentren im Bundesland der Zündfunke aus für ähnliche Einrichtungen andernorts; so standen Kufa-Leute den Trierern zur Seite beim Aufbau der dortigen Tufa, der Tuchfabrik.

1996 machte sich Endzeitstimmung breit in der Kufa. Kürzung des städtischen Zuschusses, zugespitzte Finanzkrise, Sanierungsstau im Gebäude, Differenzen innerhalb der ersten Betreibergeneration: Rund 16 Jahre nach ihrer Gründung stand die Kufa vor dem Aus. Und: Das Jugendtheater drohte sein Domizil zu verlieren. Um das zu vermeiden, fädelten Dieter Servatius und Ulrich Hoppenheit von der Sparkasse Koblenz als einem der Hauptsponsoren des Jugendtheaters einen Coup ein: Sie einigten sich mit den drei bisherigen Gesellschaftern Schaefer, Pietjou und Alderath auf die Übernahme der Kufa-GmbH durch eine Gruppe aus Koblenzer Bürgern.

Servatius und Hoppenheit überzeugten rund 20 Lehrer, Juristen, Geschäftsleute, mit je 5000 Mark Einlage als Neugesellschafter mitzumachen. Nun mit kundigem Rat von Finanzfachmann, Steuerberater, Anwalt ausgestattet sowie mit Unterstützung von Handwerk, Handel und auch wieder der Kulturpolitik, hieß es in der Kufa: Neustart. Generalsanierung von Kneipenfoyer und Theater wurden gestemmt, die Probensituation fürs Jugendtheater optimiert, die Vermietung der Obergeschosse intensiviert, neue Veranstaltungsprogramme aufgelegt ... Denn die Kufa musste sich auch rechnen, die je 70.000 Euro Zuschuss von Stadt und Land reichen bei Weitem nicht. Mieten, Eintritts- und Bewirtungseinnahmen waren und sind weiter unverzichtbar.

Der Übergang 1996 verlief im Spannungsgeflecht zwischen altem und neuem Hausherrn sowie Kulturpolitik durchaus nicht konfliktfrei. Er bedeutete zwar die Rettung der Kufa, wurde indes von der freien Szene misstrauisch beäugt. Denn dort empfand man die neue Lösung zugleich als Kulturbruch: Was als Ausdruck alternativer Kulturbewegung begonnen hatte, nahmen nun etablierte bürgerliche Kräfte in die Hand. Das Ende einer Ära? Das Scheitern einer Utopie?

22 Jahre später muss man die Sache so sehen: Ohne den Mut und den Pioniergeist der Kufa-Gründer hätte es dieses Kulturzentrum nie gegeben; ohne das Engagement des nachherigen Gesellschafterkreises um Dieter Servatius würde es die Kufa längst nicht mehr geben. Insofern übernimmt die jetzt neue Generation von Gesellschaftern ein wichtiges Erbe, das auf Basis der Verbindung zweier Traditionslinien fortentwickelt werden kann: hier das Jugendtheater, da die unkonventionelle Experimentierfreude der Alternativkultur.

Von unserem Autor Andreas Pecht
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