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Rheinland-Pfalz

Ist jede zweite Notfallklinik bedroht?

Von Christian Kunst
Notaufnahme eines Krankenhauses
Notfallklinik (Symbolbild) Foto: Andre Kolm/dpa/dpa

Die Neuregelung der Notfallversorgung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) könnte die Krankenhauslandschaft in Rheinland-Pfalz nachhaltig erschüttern. Hintergrund ist, dass viele der Kriterien für die überwiegend kleinen Krankenhäuser auf dem Land schwer zu erfüllen sind, sagt Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft und Mitglied im GBA,

Lesezeit: 2 Minuten
im Gespräch mit unserer Zeitung. Der GBA hatte am Donnerstag Kriterien beschlossen, die Kliniken erfüllen müssen, um künftig für die Behandlung stationärer Notfälle, die mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus kommen, Zuschläge zu bekommen. Gaß schätzt, dass mindestens jedes dritte Krankenhaus im Land nach dem Beschluss des obersten Entscheidungsgremiums im Gesundheitswesen ...
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Alarm für viele Notaufnahmen

Rheinland-Pfalz/Berlin. Mehr als jedes dritte Krankenhaus wird künftig offiziell keine Notfälle mehr versorgen. Das sieht ein Beschluss des höchsten Entscheidungsgremiums im Gesundheitssystem, des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen, vor. Von den bundesweit 1748 Krankenhäusern sollen nur noch 1120 Zuschläge erhalten. 628 Kliniken (36 Prozent) würden aus der Notfallversorgung herausfallen. Kliniken ohne Notfallstatus müssen finanzielle Abschläge hinnehmen. Das heißt nicht, dass sie Notfallpatienten abweisen. Vielmehr sind sie zur Hilfeleistung verpflichtet. Nur Geld bekommen sie dafür nicht.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft stimmte im GBA gegen die Neuregelung. Angesichts ständig steigender Milliardenkosten für die Kliniken hatte der Gesetzgeber den GBA beauftragt, zu klären, wie viele Kliniken für die Notfallversorgung nötig sind, und ein Stufenkonzept zu erarbeiten.

Für Rheinland-Pfalz würde der GBA-Beschluss rechnerisch das Aus für 34 der derzeit 94 Notfallstandorte bedeuten. Zwar war die rheinland-pfälzische Krankenhausgesellschaft bislang von 67 bedrohten Standorten ausgegangen. Trotzdem ist ihr Chef Bernd Decker alarmiert: „Das wäre eine deutliche Reduzierung der jetzigen Standorte. Für die Patienten hätte das längere Wege zur Folge. Für die betroffenen Kliniken wäre das existenzbedrohend, weil sie dadurch viele Patienten verlieren würden“, sagte er unserer Zeitung. Allerdings will er die Folgen fürs Land erst prüfen. Zugleich forderte er Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) auf, „sich um die Zukunft der Standorte zu kümmern“ und den Beschluss im Zweifelsfall nicht umzusetzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss den GBA-Beschluss noch genehmigen. Die Ressortchefs in den Ländern müssen die Entscheidung in die Krankenhausplanung übernehmen, können aber Ausnahmen erlauben.

Notfallkliniken müssen demnach künftig über eine chirurgische oder unfallchirurgische und innere Abteilung verfügen. Kommt der Patient in die Notaufnahme, soll er binnen zehn Minuten erfahren, mit welcher Priorität er behandelt wird. Ein Facharzt und bei Bedarf ein Anästhesist muss innerhalb von 30 Minuten beim Patienten sein können. Die Klinik muss zudem eine Intensivstation mit mindestens sechs Betten, davon vier beatmete, haben. Dies ist laut Decker für viele kleine Kliniken in Rheinland-Pfalz, die oftmals für große Regionen zuständig sind, ein mögliches Ausschlusskriterium. So würden etwa die DRK-Krankenhäuser in Hachenburg und Altenkirchen mit nur drei beziehungsweise zwei Beatmungsbetten aus der Notfallversorgung herausfallen.

GBA-Chef Josef Hecken, früherer saarländischer Gesundheitsminister und gebürtiger Rheinland-Pfälzer, betont aber: „Die stationäre Notfallversorgung bleibt bundesweit künftig auch in strukturschwachen Gebieten gesichert.“ Gleichzeitig führe der Beschluss dazu, „dass die unverzichtbaren medizinischen Anforderungen für die Patientenversorgung erfüllt sind. Denn gerade auch im Notfall müssen sich Patienten darauf verlassen können, dass das Krankenhaus, in das sie gebracht werden, die zügige und notwendige – im Zweifelsfall ja lebensrettende – medizinische Versorgung gewährleisten kann. Und das kann ein Krankenhaus, das nicht wenigstens über eine innere Medizin und Chirurgie oder auch einen Schockraum verfügt, typischerweise eben nicht.“ Und: Die Kliniken, die künftig keine Zuschläge erhalten sollen, hätten bislang nur 5 Prozent der Notfälle behandelt. Decker, hauptberuflich Geschäftsführer der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, widerspricht: So hätten die beiden DRK-Krankenhäuser im Westerwald jeweils rund 1500 bis 1800 Patienten pro Jahr, würden aber künftig nach dem GBA-Beschluss keine Notfälle mehr versorgen können.

Der Vizechef des Kassenspitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, verteidigt den Beschluss indes: „Die neue Struktur der Notfallversorgung wird helfen, Leben zu retten.“ Rettungsfahrer und Patienten wüssten künftig, welche Klinik für welche Notfälle die richtigen Fachärzte, Abteilungen und die notwendigen Geräte vorhält. Sparen wollten die Kassen bei der Notfallversorgung nicht.

Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, ebenfalls Rheinland-Pfälzer, widerspricht: „Würde in Deutschland tatsächlich eine so große Zahl der Kliniken an der stationären Notfallversorgung nicht mehr teilnehmen können, würde die Not vieler Notfallpatienten größer werden, als sie vielerorts heute schon ist.“ Die Wegezeiten der Rettungswagen bis zur Klinik würden sich verlängern. Christian Kunst

Der Gemeinsame Bundesausschuss

Im Gemeinsamen Bundesausschuss entscheiden Vertreter der Kassen, der Ärzte und Kliniken über die Kassenleistungen für die 70 Millionen Versicherten, über die Arbeit in Kliniken und Praxen, über die Zahl der Praxissitze von Ärzten und vieles mehr.

Das Gremium entscheidet über Fortbildungspflichten, bewertet Arzneimittel, trifft Regelungen zu Schutzimpfungen, zur Hygiene in Kliniken und zu Mindestzahlen bestimmter Behandlungen. Der Ausschuss hat 13 Mitglieder: drei Unparteiische, fünf Vertreter der Kassen und fünf Vertreter von Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern.

Darüber hinaus nehmen an den Sitzungen Patientenvertreter ohne Stimmrecht teil. Unparteiischer Vorsitzender ist seit 2012 der gebürtige Rheinland-Pfälzer Josef Hecken.

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