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Grünbach

Die Maifeuer, die auf den Hügeln brannten – Grünbach

Von Peter Bleyer

Willi Schneider ist ein Baumholderer, daran besteht wohl kein Zweifel. Dass es aber für ihn vor langer Zeit gar nicht so einfach war, an diesem Ort Fuß zu fassen, daran erinnert sich der 89-Jährige noch gut. Auch wenn die Stadt nur einen Katzensprung von dem Dorf entfernt lag, in dem er aufgewachsen war: Grünbach, eines der verschwundenen Dörfer.

Lesezeit: 4 Minuten
 „Als Zugezogene haben uns die Leute lange bezeichnet“, sagt er. „Es hat gedauert, bis wir aufgenommen wurden.“ Das Haus, in dem er lebt, ist eines von jenen, die Ende der 1930er-Jahre mitsamt der Straße eigens für von den Nazis umgesiedelte Menschen gebaut worden waren. Auch Willi Schneiders Familie war gezwungen, ...
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Helmut Müller erinnert sich: Im Gasthaus „Zur Steinalb“ lernte man tanzen

Grünbach. Ein eindrucksvolles Bild hat Helmut Müller noch ganz genau vor Augen: Sein Vater, der Gemeindelehrer, schließt die Schule ab, wirft den Schlüssel in den Garten und schießt mit seinem Gewehr dreimal in die Luft. Es war wohl eine symbolische Geste, wie um dem Dorf, das dem Untergang geweiht war, Lebewohl zu sagen. Das Kapitel Grünbach neigte sich dem Ende zu.

Als Lehrersohn hatte es Helmut Müller in dem kleinen Bauerndorf zweifellos besser als andere Kinder, das gibt er unumwunden zu. „Man war privilegiert“, sagt der 95-Jährige, der heute in einem Alterszentrum in Leichlingen lebt. „Der Lehrer war ja ein Staatsbeamter.“ Während die anderen Bewohner von harter Arbeit auf dem eigenen Acker leben mussten, herrschte im Hause Müller finanzielle Sicherheit – das brachte Annehmlichkeiten mit sich.

So durfte Helmut Müller beispielsweise schon früh mit seinem Vater auf die Jagd gehen, wie er erzählt. Sogar eine eigene Doppelflinte hatte er. Es gelang ihm unter anderem, eine Wildkatze zu erlegen, die später ausgestopft im Haus stand. „Außerdem lernte ich die Natur kennen und wurde ein kleiner Botaniker.“

Aber auch abseits dieser persönlichen Vorteile wusste er das Leben in Grünbach durchaus zu schätzen. Vor allem die Tatsache, dass das Dorf fast autark funktionierte, imponierte ihm. „Wir hatten drei Lebensmittelläden“, berichtet er. „In welcher kleineren Gemeinde gibt es das heute noch?“ Es gab keine Pendler, alle verdienten ihr Brot im Dorf, und die Kinder waren innerhalb von fünf Minuten in der Schule – ganz ohne Auto. „In der Bescheidenheit lagen Vorteile.“

Helmut Müller erzählt von den Tagen, als er im Bach Forellen fing oder im Saal der Dorfwirtschaft „Zur Steinalb“ tanzen lernte. Er erinnert sich an den langen Weg nach Baumholder zum Konfirmandenunterricht, den er im Alter von 13 Jahren zurücklegen musste – von Grünbach aus ging es mit dem Fahrrad über Mambächel. Auch ist ihm der Glockenturm der Schule noch im Gedächtnis. „Dreimal am Tag und zu besonderen Anlässen wurde die Glocke geläutet“, berichtet er. „Diese Aufgabe hat man immer an einen Jugendlichen vergeben, der dafür ein kleines Taschengeld bekam.“

Als Helmut Müller dann später als einziger Jugendlicher aus dem Dorf neben seinem Bruder die Möglichkeit hatte, die höhere Schule – wie man damals sagte – in Birkenfeld zu besuchen, rostete der Kontakt zu den Grünbacher Freunden naturgemäß ein wenig ein. „Der Weg zum Gymnasium dauerte eineinhalb Stunden“, betont er. „Wenn man dann wieder nach Hause kam, war nicht mehr allzu viel Zeit.“

Dieser Umstand und seine privilegierte Position waren wohl letztlich auch ausschlaggebend dafür, dass Helmut Müller keine große Trauer empfand, als Ende der 30er-Jahre die Nachricht von der Räumung Grünbachs die Runde machte. „Bei den meisten herrschte große Unsicherheit: Wo landen wir, was bekommen wir für unser Geld?“, sagte er. „Für mich war das kein Problem, mein Vater konnte sich seine neue Stelle als Lehrer sogar aussuchen und wählte schließlich Nohfelden.“ Für den damaligen Gymnasiasten war der Umzug sogar ein echter Glücksfall, wie er sagt. „Von Nohfelden aus brauchte ich nur noch 25 Minuten zur Schule.“

Der restlichen Dorfbevölkerung sei es freilich schwergefallen, die Heimat zu verlassen. „Aber Widerstand gab es nicht. Die Leute haben sich mit der Situation auseinandergesetzt.“

Helmut Müller trat später in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Lehrer. Erst unterrichtete er von 1947 bis 1962 in Frauenberg, ehe er Rektor der Grundschule Birkenfeld wurde. Diese Stelle behielt er bis zu seiner Pensionierung.

Von unserem Redakteur Peter Bleyer

Fakten zu Grünbach

Das Dorf entstand etwa um das Jahr 1000. Sein Name hat nichts mit der Farbe zu tun, sondern geht wohl auf das althochdeutsche Wort „grient“ zurück, mit dem man den feinen Sand bezeichnete, der sich im Bach absetzte. Somit heißt Grünbach so viel wie Sandbach.

Wie seine Nachbardörfer gehörte es vom 12. Jahrhundert an zur Grafschaft Veldenz, ehe es 1444 an den Herzog von Zweibrücken überging. Der Dreißigjährige Krieg entvölkerte Grünbach fast vollständig. Mit der Zeit erholte sich der Ort wieder, besonders im 19. Jahrhundert gab es eine Aufwärtsbewegung. Ihren Höchststand erreichte die Einwohnerzahl 1930 mit 382. Als die gesamte Gemarkung mit 883 Hektar in den Truppenübungsplatz fiel, mussten sich 364 Menschen eine neue Heimat suchen.
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