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Mambächel

Im Traum erscheint ihr noch der rote Möbelwagen – Mambächel

Von Gerhard Müller
Das größte aller Dörfer machte schon einen recht fortschrittlichen Eindruck. Das Foto zeigt die Straße vom Friedhof kommend, auf der linken Seite befindet sich das Haus von Jakob Arth mit der Schmiede.  Foto: Dr. Wilhelm Burger
Das größte aller Dörfer machte schon einen recht fortschrittlichen Eindruck. Das Foto zeigt die Straße vom Friedhof kommend, auf der linken Seite befindet sich das Haus von Jakob Arth mit der Schmiede. Foto: Dr. Wilhelm Burger

Die noch sehr rüstige und geistig fitte Frieda Hartmann, geborene Kurz, lebte bis zu ihrem zwölften Lebensjahr in Mambächel. Sie erinnert sich noch ganz genau daran, als im Frühjahr 1936 ein großes Manöver rund um die Gemarkung stattfand. Ihre Eltern Jakob und Frieda Kurz meinten damals: „Das bedeutet nichts Gutes“. Sie sollten recht behalten – am 31. März 1937 wurde die Zwangsräumung offiziell.

Lesezeit: 4 Minuten
Die Nationalsozialisten hatten geplant, die Mambächeler komplett nach Mecklenburg umzusiedeln. Völlig neue Siedlungen waren dort gerade entstanden oder befanden sich in der letzten Bauphase. Um ihnen die neue Heimat in Mecklenburg schmackhaft zu machen, wurden im Sommer und im Herbst 1937 Bustouren in Richtung Nordosten gestartet. Frieda Hartmann ist in ...
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Mambächler Kaktus blüht zu Weihnachten

Mambächel. „Gestern ist mir beim Tanzen einer auf meine guten Lackschuhe getreten, da gehe ich nicht mehr hin“ – immer wenn Erna Schäffner, geborene Pees, diesen Satz fallen ließ, wusste Wolfgang Schäffner genau, dass der Geist seiner Mutter nun wieder in der Vergangenheit weilte, in ihrem Heimatdorf Mambächel. „Auch wenn sie am Ende ihres Lebens an Demenz litt, konnte sie sich an die alten Zeiten ganz genau erinnern“, sagt der 80-Jährige. Er selbst wurde 1937 im größten der verschwundenen Dörfer geboren – als einer der Letzten.

Durch Gespräche mit seiner Mutter hat Wolfgang Schäffner über die Jahre noch viel über das Leben in Mambächel erfahren dürfen. „Einmal in der Woche haben sich alle zum Maijen getroffen“, berichtet er. „Die Frauen saßen dann am Spinnrad, und man hat zusammen gesungen.“ In der Gemeinde, die auf den alten Fotos einen deutlich fortschrittlicheren Eindruck als ihre Nachbardörfer macht, gab es unter anderem eine Bäckerei und sogar ein Kaufhaus mit dem Namen Pees. Für die Dorfgemeinschaft hatte vor allem das Gasthaus Gisch eine große Bedeutung. „Dort gab es einmal im Monat Musik, dann wurde getanzt“, erzählt Wolfgang Schäffner.

Das Elternhaus seiner Mutter war der Speckhof, so habe sie es immer wieder genannt. Erna Pees hatte in der damaligen Zeit, was nicht selbstverständlich war, bereits einen Beruf erlernt, sie war Näherin. „Mein Vater arbeitete als Schuhmacher“, sagt Schäffner. „Er stammte vom Mambächlerhof.“

Als Ende der 30er-Jahre die Nachricht von der bevorstehenden Auflösung des Dorfes kam, traf es die junge Familie schwer. „Das war ganz schlimm“, sagt Wolfgang Schäffner. „Es ist ja alles auseinandergezogen worden.“ Mit einem Auto, auf das die nötigsten Möbel geladen waren, ging es dann schließlich schweren Herzens nach Ruschberg, wo man ein neues Haus gekauft hatte. „Meine Mutter hat mir immer erzählt, sie hat den ganzen Weg über Tränen in den Augen gehabt“, sagt der 80-Jährige. „Noch im Alter, als sie bereits dement war, rief sie immer wieder: ,Ich will heim auf den Speckhof'.“

Und weil der Abschied damals so schwerfiel, hatte sich Erna Pees ein kleines Stück Heimat mitgenommen: einen Weihnachtskaktus, der heute noch hinter Wolfgang Schäffners Haus in Ruschberg weilt, inklusive einiger Ableger. „Meine Frau hegt und pflegt die Pflanze“, sagt er. „Die Ableger verschenkt sie von Zeit zu Zeit.“ Die starken, rauen Wurzeln des Kaktus zeigen deutlich, wie viele Jahre er schon überdauert hat. Und noch immer blüht er rosa zu Weihnachten. Schon manches Mal habe man ihn entsorgen wollen, sagt Wolfgang Schäffner. Aber er habe es nie übers Herz gebracht. Es ist eben ein Mambächler Kaktus.

Von unserem Redakteur Peter Bleyer

Fakten zu Mambächel

Mambächel war das größte der 13 aufgelösten Dörfer. Zum ersten Mal erwähnt wird die Gemeinde im Jahr 633. Zu erwähnen ist eine besonders große Auswanderbewegung, die dem Ort in der Mitte des 18.

Jahrhunderts einen beträchtlichen Menschenverlust einbrachte. Im Schulwesen sicherte sich die Gemeinde schon früh ihre Selbstständigkeit. Ein erstes Schulhaus wurde 1648 erbaut. Im Jahr 1822 trat ein neues Gebäude an die Stelle des alten – und 1894 folgte bereits das nächste, weil die vielen Kinder nicht mehr untergebracht werden konnten. Nach und nach entwickelte sich Mambächel zu einem der bedeutendsten Bauerndörfer des Höhenlandes. Am 1. Mai wurde das Dorf mit 1198 Hektar in den Truppenübungsplatz einbezogen, 238 Hektar kamen zu Baumholder.
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